Schwarz auf Weiß

Triste Häuserwände, ein menschenleerer Steg, aufgewühltes Meer und der Blick auf einen verlassenen Strand: Es ist die stumme Einladung zweier Künstler, für einen kurzen Moment stehen zu bleiben und atemlos zu staunen. Schlicht und meisterhaft schön sind die Fotografien von Joachim Thode und Lutz Grünke, die mit der Ausstellung Fassade und Landschaft bis zum 24.11. in der Stadtgalerie Kiel zu sehen sind.

Dem Besucher offenbart sich eine Welt, die ganz subtil nostalgische Erinnerungen weckt. Überwiegend in schwarz-weiß gehalten, präsentieren sich ausdrucksstarke Motive und erzählen dabei eine jeweils ganz eigene Geschichte. Ob ein Wohnwagen vor einer Plattenbausiedlung in Mettenhof oder die bröckelnde Fassade einer Häuserzeile in Binz,  je länger das Foto betrachtet wird, desto lauter hallt der Ruf vergangener Zeiten durch die Gänge der Galerie. „Die Fotografie ist immer ein Blick in die Vergangenheit, immer auch ein Dokument“, schreibt Dr. Melanie Wilken zu den Werken der beiden norddeutschen Künstler und trifft damit wunderbar den Kern der Ausstellung. Denn sowohl Joachim Thode als auch Lutz Grünke fotografierten in den 1970er und 1980er Jahren zahlreiche Orte und Landschaften in Westdeutschland und der ehemaligen DDR, die sich mittlerweile vollkommen verändert haben oder bereits gar nicht mehr existieren.

Es fällt auf, dass nie auch nur eine Menschenseele auf den Bildern zu sehen ist. Die beiden Fotografen richten ihren Fokus, unabhängig voneinander, auf die Natur, auf das vom Menschen Geschaffene und dessen stetigen Zerfall. Der Mensch selbst tritt zurück. An Bedeutung gewinnen stille Momente und fortdauernde Veränderungen, eindrucksvoll im Medium Foto für die Ewigkeit festgehalten. Reduziert auf ein Minimum an Farbakzenten, bestechen die Fotografien mit Einfachheit und kunstvoller Ästhetik. Der Betrachter ist gezwungen, sich aufgrund der Farbleere, „ganz auf die Formen und Strukturen des Motivs sowie die Perspektive des Fotografen einzulassen“, so Wilken. Dabei sei nicht entscheidend, ob er oder sie die Landschaft wiedererkenne. Viel wichtiger sei es, sich „durch Form, Licht und unbestimmbares Motiv […] an eigene Geschichten und Orte zu erinnern.“

Dass dies den beiden Künstlern durchweg gelungen ist, verrät ein Blick in das Gästebuch der Kieler Stadtgalerie. Lobende Kommentare von begeisterten Besuchern zieren Seiten, die auch künftig beschrieben werden wollen. Immer wieder taucht ein kleines Wort auf, das so schlicht ist wie die Fotografien selbst und ebenso bedeutungsvoll: Ein „Danke“ für ein wertvolles Zeugnis. Ein Zeugnis der Kunst, das sich lohnt, weiterhin gesehen und bewundert zu werden.

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Kyra Vüllings

Über Kyra Vüllings

Kyra Vüllings ist 21 Jahre alt und Studentin der Christian-Albrechts-Universität. Für ihr Studium in den Fächern Deutsch und Soziologie zog sie im September 2012 nach Kiel. Ursprünglich stammt sie vom Niederrhein, wo „schnacken“ und „lütt“ eigentlich Fremdwörter sind, mittlerweile aber zu ihrem alltäglichen Vokabular gehören. In ihrer Freizeit trifft sie sich gern mit Freunden, geht ins Kino, liest Bücher aller Art oder schreibt eigene Texte und Gedichte.