Politiker im Hörsaal? Prof. Dr. Christian Martin lädt Politiker in seine Vorlesung ein. In seiner Veranstaltung „Das politische System Deutschlands“ referierte bereits der Ministerpräsident Torsten Albig. Im Interview betonte er „die Einsicht zur Wichtigkeit der Theorie“.
Herr Prof. Dr. Christian Martin, wie sind Sie auf die Idee gekommen, Politiker in Ihre Vorlesung einzuladen?
Ich hatte im letzten Semester bzw. im letzten Jahr eine Anfrage von Ralf Stegner. Ob das was wäre, was uns interessiert. Das war im Zusammenhang mit dem 150-jährigen Jubiläum der SPD. Ich hab dann gesagt, ja prima interessiert uns. Ich dachte wir müssen das dann ein bisschen ausgewogen gestalten, das ist sicher auch interessanter für die Studierenden und dann habe ich Vertreter unterschiedlicher Parteien und unterschiedlicher Ebenen eingeladen. Einer der Grünen, der als Feierabendpolitiker in Hamburg in der Bezirksversammlung sitzt. Einer von der CDU, der ebenfalls in Hamburg in einer Bürgerschaft sitzt. Und eben Ralf Stegner, der für die SPD inzwischen auf Bundesebene agiert. In diesem Semester habe ich versucht, das gleiche Konzept zu wiederholen. Zwei unterschiedliche Parteien: Einmal mit Herrn Kubicki die FDP und die SPD Herrn Johannsen und dem Ministerpräsidenten Torsten Albig.
Was bringt es den Studierenden eigentlich?
Ich glaube, dass es wichtig ist, die theoretischen Konzepte, die wir in der Vorlesung behandeln, in der Praxis wiederzufinden. Es tauchen dann plötzlich Sachen auf, die die Studierenden wiedererkennen und das verstärkt so ein bisschen die Einsicht zur Wichtigkeit der Theorie. Also, dass es das alles tatsächlich gibt. Mir ist auch ganz wichtig, dass die Studierenden einen Eindruck davon bekommen, dass Politik eben nicht nur ein schmutziges Geschäft ist, sondern dass da ehrenwerte Leute sitzen, die versuchen zum Wohl des Ganzen irgendwas zu machen. Wie gut es dann im Einzelnen klappt und wie sehr man oder wie wenig man übereinstimmt, mit dem, was da an politischen Positionen hinter steht, ist eine andere Frage. Aber es geht mir darum zu zeigen, dass Kompromisse in der demokratischen Politik notwendig und wichtig sind und eben kein Tauschgeschäft unter zweifelhaften Personen ist. Es geht mir darum zu zeigen, dass Konflikt und Kompromiss zwei Seiten der politischen Medaille sind. Dass Parteien etwas sind, was notwendig zur demokratischen Organisation in einer repräsentativen Demokratie gehört. All das wirkt wesentlich glaubwürdiger und besser, wenn es sich in der politischen Praxis abbildet, als wenn ich das alles nur theoretisch erzähle.
Welche Politiker waren bisher dabei?
Das war im Sommersemester 2013 der Nikolaus Haufler von der CDU Hamburg, Benjamin Eschenburg von den Grünen in Hamburg-Altona und Ralf Stegner von der SPD. Stegner war ja zunächst nur hier in Schleswig-Holstein tätig und ist nun auch stellvertrender Bundesvorsitzender. Eigentlich hätte er ja Generalsekretär sein sollen, aber das hat dann wegen der Quote nicht geklappt. Und in diesem Semester der Ministerpräsident Torsten Albig (SPD), Torge Johannsen, der für die SPD im Jübeker Gemeindeparlament sitzt und Wolfgang Kubicki, Oppositionsführer und stellvertretender FDP-Vorsitzender.
Haben Sie schon Ideen für das nächste Sommersemester?
Nö. (Lacht) – Darüber denke ich dann während des Wintersemesters nach. Ich bin sehr erfreut wie offen die Politiker sind. Ich kann es natürlich auch verstehen, weil es ein nicht zu unterschätzender Multiplikatoren-Effekt ist. Immerhin sitzen da ungefähr 200 Leute, die sich für Politik interessieren und alle recht schlau sind und dann nach Hause gehen und erzählen. Man kann schon verstehen, dass das Veranstaltungen sind, die dann anziehen. Ich möchte gerne bei der Bandbreite bleiben, also unterschiedliche Politiker unterschiedlicher Parteien. Aber auch was die Bandbreite der politischen Organisation angeht. Politik spielt auf allen Ebenen eine Rolle und das soll sich in der Auswahl abbilden.
Haben Sie denn schon Feedback von Studierenden bekommen?
Also ich kann es nur für das letzte Sommersemester sagen, wo wir die Lehrveranstaltung natürlich evaluiert haben. Das machen wir auch in diesem Semester, aber da ist die Evaluation noch nicht abgeschlossen. Da war das Feedback generell gut. Durchaus mit Unterschieden zu den Politikern, die jetzt nicht nur auf parteipolitische Präferenzen basieren, sondern da wurde sehr genau hingeguckt: Versucht der jetzt Wahlkampf zu machen oder erzählt der uns jetzt ehrlich, was wir erwarten. In diesem Zusammenhang kann man noch vielleicht hervorheben, dass der Ministerpräsident bei seinem Vortrag in der vergangenen Woche mutig dröge war. Also der hat einen sehr, sehr guten Vortrag gehalten, der nicht darauf geschielt hat, ob er gut ankommt, sondern der war hoch informativ. Man musste gut zuhören und das fand ich richtig gut!
Weitere Informationen zu Prof.Dr. Martin, seiner Tätigkeit und Neuigkeiten an seinem Lehrstuhl finden Sie auf der Homepage seiner Research Group: http://www.cpig.uni-kiel.de/de
Ich empfehle seine Vorlesung „Vergleichende Regierungslehre“ im nächsten Semester zu besuchen. Im darauf folgenden Sommersemester 2015 veranstaltet Martin dann wieder seine Vorlesung mit Politikern aus der realen Praxis. Mir persönlich hat die Vorlesung sehr gut gefallen, da es wirklich teilweise stimmt: Theorien wurden durch die politische Praxis bestätigt. Dies zeigten die Antworten der Politiker auf Professor Martins theoretische Modelle. Zudem gab es die Möglichkeit, den Politikern Fragen zu stellen, sodass in einer seriösen Atmosphäre politische Themen diskutiert wurden.