Von Jesse Pinkman lernen

Jesse Pinkman ist einer der Protagonisten in der Serie Breaking Bad. Quelle: Wikipedia.de

Jesse Pinkman ist einer der Protagonisten der Serie Breaking Bad. Foto: Wikipedia.de

„Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird; aber so viel kann ich sagen, es muß anders werden, wenn es gut werden soll“.- Lichtenberg.

Wer die Serie „Breaking Bad“ nicht kennt, dem fehlt was: nicht nur der Unterhaltungswert, den diese Serie bietet, sondern auch ein herausragend spannendes Beziehungsgefüge zwischen den Figuren. Aus dem heraus kann man wunderbar sich selbst und das Verhalten anderer reflektieren. Denn Literatur und Film ist ein reicher Schatz von Erfahrungen. Auf einer anderen Ebene: Wir tauchen unbewusst in eine ästhetische Welt und sind dabei gar nicht so unkultiviert, wie wir annehmen.

Bereits 1784 sprach Friedrich Schiller von der Schaubühne als Instrument der Aufklärung, moralische Anstalt und von den verschiedensten Situationen des zwischenmenschlichen Lebens. Situationen, in denen das Herz den Kopf übernimmt und umgekehrt. Und so ist es auch noch heute:  Wir leiten aus Serien, Filmen und E-Books Tugenden, Moralitäten und Handlungsentscheidungen ab. Quasi als Beruhigung vor den Kritikern – „so dekadent sind wir doch eigentlich gar nicht“. In diesem Punkt unterscheidet sich alles nicht vom klassischen Theater.

Die Figur Jesse Pinkman aus der Serie Breaking Bad akzeptiert ihren Charakter erst im Laufe der Geschichte. Jesse Pinkman ist der ehemalige Schüler von Walter White, einem an Krebs erkrankten Chemielehrer. Geplagt von Drogen- und Familienproblemen schließt er sich Walther an, um ein Imperium des Drogenvertriebs zu erschaffen.

Jesse Pinkman ist damit überfordert, seine Basis neu zu sortieren, da er weder Rückhalt hat, noch die Summe seiner Erlebnisse verkraften kann. Er erkennt seine negativen Eigenschaften – doch das peinigt ihn innerlich. Ständig versinkt er im Sumpf von Demut, Verblendung und Angst.

Doch wie kommt er aus dem Sumpf heraus? Es reicht schließlich nicht, sich äußerlich zu verändern. Hierdurch wird kein Neustart oder ein neuer Lebensabschnitt eingeläutet. Bei der ewigen Wiederkehr eigener Problematiken wird das auf Dauer nur teuer.

Jesse Pinkman kauft das Haus seiner Eltern – gänzlich aus Rache an seinem verlorenen Rückhalt im Leben. Der Racheakt ist in seiner Enttäuschung gegenüber den Eltern begründet, die ihn in verwirrten Jugendzeiten nicht auffingen. Sie vernachlässigten ihn und hörten seinen Problemen nicht zu. Für sie stand eher seine Fassade im Vordergrund, die nach und nach abpellte. Jesse hatte miserable Schulleistungen und entsprach nicht dem Idealbild seiner Eltern.

Die Geburt von Jesses Bruder prägte zudem die Schattenposition von Jesse Pinkman. Er wurde in einen Sumpf geschmissen. Eine Verwandlung, die an Kafkas Verwandlung erinnert. Die fehlende Basis und Stütze in der Familie bestimmen ab diesem Extrempunkt den weiteren Verlauf.

Mit steigendem Erfolg ändert sich dennoch nichts an seinem Geist und Charakter. Die Erlebnisse drücken ihn in den Sumpf, aus dem er versucht, zu entkommen. Mit Drogen. Doch die Illusionswelten, die durch die Drogen entstehen, schaffen nur Nebel, mehr Zeit. Wie sich die Geschichte bei einem unproblematischen Verhältnis zu Mutter und Vater wohl entwickelt hätte? Abgesehen von dem Gedankenspiel bleibt spannend, zumal eine besonders interessante Dynamik entsteht.

Wenn wir uns physisch verletzen, können diese Wunden mit psychischen versinnbildlicht werden. Eine grobe Verletzung trägt eine offene Wunde nach sich, muss also genäht werden. Da die Naht instabil ist, kann die Wunde jeden Moment aufplatzen. Es kann sich aber auch eine Narbe bilden. Hysterie und Situation verwandeln sich dann zu einem Urinstinkt akzentuierten Verhaltens. Fest mache ich dies an Jesses verstorbener Freundin Jane. In jeder schwierigen Lebenslage platzt diese offene Wunde auf und beeinflusst in unangenehmen Situationen die hallende Lawinendynamik, die einem die Luft nehmen kann.

Schafft man es – durch welche Methodik auch immer – über Zeit/Akzeptanz/Gespräch genau diese offenen Wunde auf geistiger Ebene zuzunähen, dann steht man in einigen Situationen auf beiden Beinen. Man trotzt dem peitschendem Wind.

Aber meist findet man sich nach diesem Überstreichen seines Inneren doch immer wieder auf dem selben Punkt. Die Summe der Erlebnisse ist nicht durch gutes Aussehen erloschen.
Ständige Ekstasen nehmen ein grauenvolles Ausmaß an. Ein unruhiges Fundament führt unsere Hand zu Undenkbarem.

Ein kleiner Denkanstoß. Eltern und Freunde bilden einen Ort, an dem man sich fallen lassen kann, an den man gerne denkt und zurückkehrt. Das Fundament für alles.

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