
Bei diesem Anblick kommt leider keine Weihnachtsstimmung auf. Meine Sammlung missglückter Schneekugeln. Foto: Kerstin Tietgen
Weihnachten ist die Zeit der Besinnlichkeit? Schwachsinn. Vor allem ist Weihnachten die Zeit, in der man durch die Geschäfte hetzt. Schwitzend im dicken Mantel wühlt man sich durch Berge von möglichen Geschenken. Ein Parfüm für Mutti? Eine DVD für die Schwester? Was verschenkt man als arme Studentin? Alles, was ich mir leisten kann, kann sich meine Familie locker selber kaufen. Es muss also etwas Besonderes sein. Persönlich und am besten nicht zu teuer. Warum also nicht wieder etwas Selbstgebasteltes, denke ich mir, während ich meine Geschenkeliste schreibe.
Die Auswahl ist groß. Viele Bastelzeitschriften oder Internetportale bieten Anleitungen für das perfekte Do-it-yourself-Weihnachtsgeschenk. Selbstangerührte Badebomben, gestrickte Schals oder Pralinen? Leider habe ich in meiner Schenkerkarriere als Schüler und jetzt Student schon so ziemlich jedes Geschenk gebastelt. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Ich bin nicht die talentierteste Bastelfee, weshalb ich mir grundsätzlich Projekte aussuche, die schnelles und gesichtertes Gelingen versprechen. Warum also nicht Schneekugeln? Die Anleitung ist vielversprechend: wenig Material und schneller Erfolg. Lediglich alte Einmachgläser, destilliertes Wasser, Glitzer oder Kunstschnee und ein kleines Tännchen brauche ich. Die Heißklebepistole habe ich als eingefleischte Weihnachtsbastlerin natürlich schon zu Hause.
Alles zusammengesetzt soll es eine wunderschöne Weihnachtslandschaft im Glas ergeben. Perfekt! Das will ich: Ohs und Ahs unterm Tannenbaum und vielleicht sogar ein überraschtes „Das sieht ja gar nicht aus wie selbstgebastelt“. Ich male mir die Bescherung selbstzufrieden aus und begebe mich sofort auf meine Einkaufstour. Einmachgläser muss ich nicht einmal kaufen. Die horte ich nämlich schon seit Wochen mit den Worten: „Man weiß ja nie, wann man so etwas mal wieder braucht!“ Nun kann ich diese nicht nur bequem aus dem Keller kramen, sondern meinem Freund gleichzeitig beweisen, dass ich zurecht 30 große und kleine Einmachgläser wie ein Eichhörnchen vor dem Winter im Keller vergraben habe.
Die Schneekugeln und ich – es scheint vorherbestimmt.
Schnell die anderen Materialien auftreiben. „Winter Wonderland“ summend steige ich die Treppen zur Wohnung hoch. Gleich geht es los, mein Winter Wonderland. Auf dem Schreibtisch drapiere ich alles sorgfältig: perfekt geformte Plastiktännchen in zwei Größen, destilliertes Wasser, weißer Glitzer, Kunstschnee und Heißklebepistole.
Ich klebe das kleine Tännchen in den Deckel eines runden Einwegglases, streue ordentlich Glitzer und Schnee in das Glas und fülle mit Wasser auf. Das ist ja fast zu einfach.Schon beim Wasser hapert es. Statt Winter Wonderland ist ein akuter Blizzard im Glas ausgebrochen. Unwetterwarnung! Verlassen Sie nach Möglichkeit nicht das Haus! Der Kunstschnee hat sich aufgelöst. Im Glas macht sich eine trübe breiige Masse breit.
Doch so schnell lasse ich mich nicht entmutigen! Neues Spiel, neues Glück! Ich rette Weihnachten. Meine Tatendrang bleibt ungebremst. Mit einem zweiten, etwas größeren Glas und einer wunderschönen großen Plastiktanne setze ich Operation Winter Wonderland fort. Diesmal ohne Kunstschnee, nur mit Glitzer. Tatsächlich sieht der Glitzer in Verbindung mit dem Wasser toll aus. Jetzt nur noch den Deckel wieder festschrauben. Was einfach klingt, ist alles andere als einfach.
Das Tännchen ist zu groß. Es wäre wohl besser gewesen, wenn vor dieser Bastelaktion die neue Brille angekommen wäre. Aber nützt ja jetzt nichts. Ich drücke und rede mir ein, dass ein schiefes Tännchen sicher auch ganz charmant aussehen kann. Tut es aber nicht. Das Tännchen steht traurig und krumm im Glas. Kein Winter Wonderland.
Aller guten Dinge sind drei. Das letzte kleine Tännchen ist mein Hoffnungsträger.
Kleines Tännchen, kleines Glas, kein Kunstschnee, nur Glitzer. Jetzt muss es doch aber klappen. Tännchen in Deckel kleben: Check! Glitzer ins Glas: Check!! Wasser ins Glas: Check!!! Deckel auf Glas drehen: Check!!!! Die Schneekugel ist fertig. Nur das Winter Wonderland lässt auf sich warten. Ist ja aber auch klar. Ne echte Schneekugel muss man ja auch schütteln. Gespannt schüttele ich meine kleine, feine Kugel ordentlich durch. Die Freude scheint ganz auf Seiten der Kugel, die aufgeregter Weise kleine Wassertröpfchen um sich wirft. Der Deckel ist nicht dicht. Na super! Nicht nur der Deckel macht mir einen Strich durch die Weihnachtsrechnung, auch der Glitzer scheint sich gegen mich verschworen zu haben. Nach circa einer Sekunde Winter-Wonder-Wirbelzeit klumpt er sich entweder am Boden des Glases zusammen oder schäumt am oberen Teil des Glases. Entnervt kapituliere ich. Wie enttäuschte Eltern schaue ich auf meine Schneekugeln. Vielleicht sollte ich Mutti doch lieber das Parfüm kaufen?