„Ein Poetry Slam ist ein Dichterwettstreit…“: Wer diesen Satz von Moderator Björn Högsdal bereits auswendig mitsprechen kann, darf den nächsten Absatz überspringen. Aber immer noch gibt es Leute, die Slam-Neulinge sind. Und so gingen auch kürzlich am Donnerstag im Roten Salon der Pumpe auf die Frage, wer denn noch nie bei einer solchen Veranstaltung war, wieder ein paar Hände in die Höhe.
Ein Poetry Slam ist also ein Dichterwettstreit. Aber die Gegner schleudern sich nicht etwa gegenseitig Reime ins Gesicht, sondern versuchen, das Publikum mit ihren Texten zu überzeugen. Dabei ist alles erlaubt, denn Slam kennt kein Genre. Laut, aufgeregt, gereimt, lustig, berührend … die Vielfalt ist unermesslich. Dennoch gibt es einige Einschränkungen. Die Texte müssen selbstverfasst sein, sie dürfen das Zeitlimit nicht überschreiten, und Gesang soll sich auf ein Minimum begrenzen. Dabei ist das Publikum gleichzeitig die Jury und kann entweder per Applaus oder per Punktevergabe den Gewinner des Abends küren.
Ansonsten sind die Künstler frei. Und so kann es sein, dass man an einem Abend die verschiedensten Dinge lernt. Zum Beispiel, dass jeder Topf seinen Deckel findet, egal wie hässlich er ist (Henning Wenzel), man Tampons zwar als Geschenk verpacken kann, sie auf dem Gabentisch allerdings nur ungern gesehen werden (Monika Mertens), was eine langweilige deutsche Kartoffel von einer feurigen spanischen patata unterscheidet (Fabian Navarro) und Veganer nicht automatisch jeden missionieren wollen, der bei drei noch kein Salatblatt zerkaut (Nhi Le).
Einer der spannendsten Momente beim Slam sind die Sekunden, bevor die Künstler mit ihren Vorträgen beginnen. Wenn man zwar die Hülle kennt, aber nicht die Wörter, die die Poeten miteinander verweben. Wer auf dem abgerockten Ledersofa auf der Bühne eben noch wie ein schüchterner Außenseiter saß, wird vorm Mikro plötzlich zum glühenden Redner, der von der Jury mit voller Punktzahl honoriert wird. Dabei können Situationen wie eine Trennung beschrieben werden (Hinnerk Köhn), Fußballer sich mit Hilfe von Sternen und Alkohol in wahre Romantiker verwandeln (Quichotte) oder aber die Welt plötzlich von Käse (Björn Katzur) oder gar Pflanzen beherrscht werden (Max Gebhard). Während der Zeit am Mikro gehört der Saal den Künstlern. Was diese daraus machen und welche Bilder sie in den Köpfen der Zuschauer kreieren, ist ihnen überlassen.
Poetry Slam ist längst kein Underground-Phänomen mehr. 1986 in Chicago gegründet, ist der Wettbewerb mittlerweile auf der ganzen Welt bekannt. Insbesondere die deutsche Szene wächst rapide, und das nicht erst seit dem kurzweiligen Singsang von Julia Engelmann. Erst im August dieses Jahres wurde auf der Trabrennbahn in Hamburg ein Weltrekord aufgestellt: Rund 5000 Menschen lauschten unter anderem den Texten von Philip Zymny, Andy Strauß, Sebastian 23 und Patrick Salmen.
Die Pumpe ist nicht nur Anlaufpunkt für Lokalmatadore, sondern zieht Künstler aus den unterschiedlichsten Ecken Deutschlands an. So war Salmen am Donnerstag als Special Guest eingeladen. Zwar außerhalb der Wertung entlockte er den Zuschauern einen Zehn-Punkte-Applaus und brachte ihnen näher, wie man ganz unauffällig einen Kühlschrank klaut.
Wer also seinen studentischen Ausgehplaner gerne erweitern oder kurz vor dem Beginn der Vorlesungszeit noch einmal entspannen möchte, ist beim Original Kieler Poetry Slam in der Pumpe oder in der Slambude bestens aufgehoben. Alle, die gerne einmal selber auf der Bühne stehen möchte, können sich bei der Agentur assembleart melden.
Original Kieler Poetry Slam
Wann? Jeden 2. Donnerstag im Monat
Wo? Roter Salon der Pumpe (Haßstraße 22)
Kosten? 8 Euro / 6 Euro ermäßigt
Slambude
Wann? Alle zwei Monate am Mittwoch
Wo? Schaubude
Kosten? 4 Euro
PS: Und wie man nun einen Kühlschrank stiehlt? Ganz einfach das Diebesgut in Alufolie wickeln und hoffen, dass sich der Kaufhausdetektiv nach etwas Zweisamkeit sehnt…