Jodel – Klowand Deluxe

Auch, wenn der Name vor allem Nordlichter zunächst irritiert: Jodel hat nichts mit Singen zu tun. Stattdessen geht es bei der App darum, anonyme Botschaften und Bilder zu posten, die Personen im Umkreis von bis zu 10 Kilometern lesen können.

Das Ganze kann man sich wie eine vergrößerte Form von Zettelchenschreiben vorstellen, die – statt durch die Klasse – innerhalb von Sekunden an alle Jodel-Nutzer in der Uni geschickt werden. Und einige der anonymen Sprüche erinnern an Kritzelein, die sonst auf Toilettenwänden hinterlassen werden. Durch diese Features ist die Anwendung vor allem für Studenten attraktiv.

Mit der App verbreiten sich Klatsch und Tratsch in Windeseile auf dem Campus

Mit Jodel bekommt auch der untere Campus mit, wenn Sinje im Audimax eine Blumenlieferung entgegennimmt oder dass der Mensapirat heute wieder ganz garstig ist. Freunde, Follower, so etwas gibt es auf der Kommunikationsplattform nicht. Vielmehr existiert eine Community, die jeden Post durch sogenanntes Up- oder Downvoten pushen oder für immer in Vergessenheit geraten lassen kann. Auch zurückjodeln, also direkt auf den Post antworten, ist möglich. Mit jeder Aktion können Karmapunkte gesammelt werden, deren Sinn so ziemlich bei Null liegt. Außer, dass du weißt: Deine Aussagen kommen an und du kannst irgendwann zum Jodelmeister aufsteigen – was auch immer das genau ist.

Laut eigener Website soll es den Nutzern ermöglicht werden, „freier, verrückter als jemals zuvor“ zu sein. Auch der lokale Bezug macht die App besonders. Bisher ist Jodel für Android und iPhone kostenlos verfügbar. Um die App überhaupt verwenden zu können, müssen die Ortungsdienste eingeschaltet werden. Durch den hohen regionalen Bezug bietet sich als Einnahmequelle das Schalten von auf die Örtlichkeiten zugeschnittener Werbung an.

#lebenamlimit

 Zunächst kommen insbesondere Freunde des Wort- und Flachwitzes auf ihre Kosten. Kleine Kostprobe gefällig? „Rechtschreibung ist mein einziges Mango“ oder für alle Mathestudenten „Wenn mein Leben gegen Null geht, führ ich dann ein Leben am Limes? Na ok, das war Grenzwertig“. Allerdings wirken viele Posts vor allem für Nutzer von tumblr, reddit oder 9gag schlichtweg abgeschrieben und wenig innovativ. Wirklich witzig wird es erst, wenn aus Hörsälen gejodelt und beispielsweise darüber berichtet wird, wie up to date der Dozent durch seine Powerpoint leitet – mit einem Besenstil.

Dann gibt es noch die universellen Weisheiten wie „Sport gibt dir das Gefühl, dass du nackt besser aussiehst. Vodka übrigens auch“. Auch nicht wirklich unbekannt, aber immer für ein Schmunzeln gut. Jodel erfindet die Welt also definitiv nicht neu, aber in der Vorlesung ist schließlich jede Art von Ablenkung recht – auch olle Kamellen. Stellenweise brechen auch Diskussionen aus wie beispielsweise über die Qualität von Jack’s Kitchen oder der politischen Situation im Nahen Osten. Diese bilden zwar die Ausnahme, wenn sie aber mal auftauchen, wird auch kräftig zurückgejodelt und gestritten. Und das nicht gerade mit sanften Worten, denn die Anonymität erlaubt Schreiben ‚frei nach Schnauze’. Dies bietet die Gefahr, dass Jodel dazu ausgenutzt wird, fröhlich über andere vom Leder zu ziehen.

Als Generation von Instagram und co. haben wir uns natürlich schnell an die Verwendung von Hashtags gewöhnt. Auf Jodel momentan besonders im Trend sind #lebenamlimit und #darferdas?, ein Bezug auf eine Ausgabe von TVtotal. Mit diesen Worten werden dann beispielsweise Aussagen versehen wie „Du weißt, du bist Student, wenn du einen Mozzarella als vollständige ausgeglichene Mahlzeit akzeptierst“ oder „Wenn du deinen ex triffst & er direkt vor deinen Augen eine andere abschleppst & und du plötzlich siehst dass du noch sein Hintergrund bist“. Durch die Hashatgs wird offensichtlich, welche Themen in der Community gerade von Bedeutung sind – und das spiegelt häufig bestimmte Stimmungen wider.

Tinderst du noch oder jodelst du schon?

Stellenweise wird die App als ein extrem anonyme Partnerbörse missbraucht. Da die Nutzer weder Alter noch Name oder Aussehen und Geschlecht der anderen kennen, ist es vollkommen willkürlich, an wen die Flirtbotschaften verschickt werden. Auch eindeutig-zweideutige Sprüche lassen sich durch die komplette Anonymität sehr schnell über den Äther schicken. Besonders einsame Herzen können Dinge posten wie „jmd ‚sehr nah’ und spontan bereit zum kuscheln vorbei zu kommen? :p“. Durch den Jodel-Radar können diese Nachricht nur Leute ganz in der Nähe sehen. Enorm experimentierfreudige Nutzer treffen sich dann vielleicht ein Haus weiter zum „Kuscheln“. Studien zu dem Thema, wie viele Partnerschaften auf Jodel bereits geschlossen wurden, stehen noch aus. Ob Jodel nun das neue Tinder ist, bleibt ebenfalls abzuwarten. Der Flirtfaktor ist wohl ähnlich hoch wie bei spotted. Witzig, weil jeder rätseln kann, wer denn nun gemeint ist, ein Date bekommt man aber auf anderen Wegen definitiv schneller. Allerdings sperrt sich die Community sowieso teilweise dagegen: „Hoffentlich wird Jodel nicht zu einem Ableger von Tinder“ lautet ein Post.

Bisher ist das nicht der Fall. Noch ist Jodel ein kurzweiliger Zeitvertreib, der besonders in langweiligen Vorlesungen Ablenkung bietet – und damit genau das richtige für Studenten ist, die im dunklen Herbst und Winter in der Uni ausharren müssen

Anmerkung: Alle Zitate wurden inklusive Rechtschreibfehlern direkt von Jodel übernommen.

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