Von NC bis c.t. – nicht nur begrifflich ist die Uni eine Welt für sich. Auch sonst funktioniert sie nach ihren ganz eigenen Regeln, die es gilt, sich in den ersten Semestern zu erschließen. In dem Dschungel aus Abkürzungen, Leistungsnachweisen und Fristen fällt es schwer, den Überblick zu behalten. Dabei haben es Studierende ohne familiären Akademikerbackground oftmals schwieriger als ihre Kommilitonen, deren Eltern bereits die Universität absolviert haben.
Schließlich ist für erstere wirklich alles neu, Rat von Vater und Mutter ist schwer einzuholen. Zusätzlich gibt es häufig Finanzierungsprobleme. Teilweise haben Studierende der ersten Generation auch mit Unverständnis innerhalb ihrer Familien zu kämpfen. Da heißt es dann nicht „Wie, du möchtest kein Arzt/Anwalt/Lehrer/irgendein anderes Klischeestudium werden?“, sondern „Wieso möchtest du denn keine Ausbildung machen?“. Viele Abiturienten wissen nicht, wohin mit ihren Fragen und wagen deshalb oftmals gar nicht erst den Sprung ins Studium. Laut einer Studie des Studentenwerks Schleswig-Holstein studieren von 100 Akademikerkindern rund 77, bei Personen aus Nicht-Akademikerfamilien sind es nur 23. Das zeigt, wie hoch die Hürden bereits vor Beginn eines Studiums sind.
Unterstützung in allen Phasen des Studiums
Aus diesem Grund hat sich die gemeinnützige Initiative ArbeiterKind auf die Fahne geschrieben, als Informationsquelle und Anlaufstelle für alle zu dienen, die als erste in ihrer Familie eine Hochschullaufbahn anstreben. Das fängt mit Schulbesuchen an und zieht sich bis in den Berufseinstieg über alle Phasen des Studiums hinweg. Somit ist ArbeiterKind laut der Regionalkoordinatorin von Schleswig-Holstein Kristin Brüggemann ein Unterstützungsnetzwerk, das auch in der Zeit nach der Uni hilfreich ist. Zu diesem Zweck werden beispielsweise Workshops angeboten, die auf Bewerbungsgespräche vorbereiten sollen.

Von links: Florian, Melanie, Kristin Brüggemann und Janina beim Stammtisch
Insgesamt engagieren sich bundesweit über 5000 Ehrenamtliche, die sich auf 70 Ortsgruppen verteilen. Eine dieser Gruppen ist in Kiel ansässig. Neben den regelmäßigen offenen Stammtischtreffen, Infoständen auf Messen und dem 1:1-Mentoring setzt sich die Kieler Gruppe verstärkt im Bereich Stipendien ein. Zu diesem Zweck wird seit 3 Jahren der an der CAU stattfindende Stipendientag veranstaltet, bei dem sich verschiedene Förderwerke vorstellen (der Collegeblog berichtete). Somit kann jede lokale Gruppe ihren ganz eigenen Schwerpunkt in der Arbeit mit den Schülern und Studierenden setzen. Dabei sind die persönlichen Erfahrungen und Geschichten der Mentoren der größte Schatz, auf den ArbeiterKind zurückgreifen kann.
Jeder kann sich engagieren
Den Weg des Mentoren haben Janina, Melanie und Florian eingeschlagen. Melanie ist während ihres Studiums auf die typischen Probleme gestoßen, denen Studierende aus Nicht-Akademikerfamilie gegenüberstehen: in ihrem Umfeld gab es niemanden, der ihre Lage verstand oder die Stresssituationen wie die Abgabe von Hausarbeiten im Studium nachvollziehen konnte. Für sie ist ArbeiterKind zu dem Ort geworden, an dem sie Hilfe und Unterstützung bekommt. Florian wiederrum konnte durch die Initiative seinen Horizont erweitern. So hat er beispielsweise gemerkt, dass eine Promotion nicht mythisch und unerreichbar, sondern ein oft eingeschlagener, logischer Weg nach dem Abschluss ist. Kristin Brüggemann nennt die Ehrenamtlichen deshalb auch die „Promovierenden der ersten Generation“.
Bei ArbeiterKind ist es möglich, sich auf viele verschiedene Arten zu engagieren. Dazu braucht es nur den Willen, andere zu unterstützen. Als Mentor sollte man auch Begeisterung für das Thema sowie für die Arbeit mit Menschen mitbringen, so Janina. Melanie fügt hinzu, dass außerdem Offenheit für die Wünsche und Vorstellungen anderer von Bedeutung ist, um individuell auf sein Gegenüber eingehen zu können. Auch Studienerfahrung sei für das Engagement von Vorteil, sagt Brüggemann. ArbeiterKind ist für alle Generationen offen. So reicht die Altersspanne der Ehrenamtlichen von 18 bis 76 Jahren. Wer sich nicht dem Mentoring verschreiben möchte, kann zum Beispiel auch in der Öffentlichkeitsarbeit tätig werden und Schulen oder Messen besuchen. Dafür werden die Ehrenamtlichen in speziellen Workshops vorbereitet. Abgesehen von den Sprechstunden wird unter der Adresse kiel@arbeiterkind.de eine E-Mailberatung angeboten, die insbesondere vor Semesterbeginn stark frequentiert wird. Wer sich über die unterschiedlichen Angebote informieren und erste Kontakte knüpfen möchte, kann den Stammtisch besuchen. Dieser findet jeden ersten Donnerstag im Monat um 18.30 Uhr in der JuMe Bar in der Harmsstraße 83 statt. Weitere Informationen zu ArbeiterKind gibt es auf der überregionalen sowie der lokalen Internetseite.