Ein umstrittenes Gesetz

Mit der Novellierung des schleswig-holsteinischen Hochschulgesetzes im Dezember 2015 kommen einige Änderungen auf die Universitäten und Fachhochschulen des Landes zu. Neben einem auf 67 Plätze erweiterten Senat, der zukünftig öffentlich tagen soll, ist vor allem die geplante Abschaffung der Anwesenheitspflicht umstritten. Auch ansonsten steht das Gesetz in der Kritik, nicht zuletzt wegen der laut der Opposition augenscheinlich recht abrupten Konzipierung. Aber auch die Spitzen der Hochschulen fühlen sich übergangen.

Ausgebaute Rolle der Studierendenschaft

Der erweiterte Senat soll mehr Transparenz und Beteiligungsmöglichkeiten für Studierende schaffen und so deren Stellung stärken. Dazu soll das zusätzliche Rede-und Antragsrecht des oder der Vorsitzenden des allgemeinen Studierendenausschusses sowie das Widerspruchsrecht in Angelegenheiten der Lehre beitragen. Anstatt hinter verschlossenen Türen zu tagen, sollen künftig alle Anhörungen von Senaten und Fachausschüssen öffentlich zugänglich sein. Ein hehres Ziel, schließlich sind die Universitäten gesellschaftliche Einrichtungen und somit Teil der öffentlichen Angelegenheiten.

Andererseits klingt die Zahl von 67 Plätzen zunächst extrem hoch. Gegner der Gesetzesänderung bezweifeln deshalb, ob der Senat überhaupt noch entscheidungsfähig sein wird oder durch seine Größe zu träge sein könnte. In diesem Fall wäre die durch das Gesetz eigentlich angestrebte Demokratisierung durch Bürokratie und weniger Autonomie der Hochschulen verdrängt.

Als Unterorgan des vergrößerten Senats soll eine Ethikkommission ins Leben gerufen werden, in der auch Vertreter der Studierendenschaft sitzen. Sie kann als Antwort auf die im letzten Jahr immer lauter gewordenen Forderungen nach einer Zivilklausel, mit der sich die Hochschulen zur Forschung für ausschließlich zivile Zwecke verpflichten würden, verstanden werden. Durch die Kommission sollen Einblicke in Forschungsvorhaben aus Drittmitteln gewonnen und die Debatte über den Zusammenhang von Forschung und Verantwortung weitergeführt werden.

Auch der Heterogenität der Studierenden soll Rechnung getragen werden. Das neue Gesetz beinhaltet die Planung einer für die Christian-Albrechts-Universität hauptamtlich beschäftigten Diversity-Beauftragten. Ihre Aufgabe wird es sein, als Anlaufstelle für Minderheiten an der Hochschule zu fungieren und ihnen so eine Stimme zu geben. Auch die Rolle der Gleichstellungsbeauftragten soll ausgebaut werden.

Angst vor leeren Hörsälen

Am bemerkenswertesten wird für viele Studierende wohl die geplante Abschaffung der Anwesenheitspflicht sein. Von der Regelung ausgenommen sind Praktika, Sprachkurse und Übungen. CAU-Präsident Professor Lutz Kipp sagt, er habe nichts gegen die Abschaffung der Anwesenheitspflicht in Vorlesungen, sähe jedoch den wissenschaftlichen Diskurs in Seminaren gefährdet. Ein nachvollziehbares Argument, denn schließlich lebt die Wissenschaft vom Austausch – und der kann nicht von zu Hause aus sattfinden. Nach Meinung des AStA der CAU ist die Sorge, Studierenden würden ohne Anwesenheitspflicht gar keine Lehrveranstaltungen mehr besuchen, unbegründet. „Wir sind hier alle freiwillig. Ich habe selbst auch Kurse ohne Anwesenheitspflicht, die einfach didaktisch und inhaltlich gut sind und wir sind da immer in voller Besetzung“, erklärt Steffen Regis vom Referat für Öffentlichkeitsarbeit.

Regis meint weiter, die Anwesenheitspflicht wäre für viele Studierende problematisch. Dabei geht es vor allem um Studierende, die körperlich oder psychisch beeinträchtigt sind, Pflegeaufgaben leisten müssen, bereits Kinder haben oder neben ihrem Studium darauf angewiesen sind, zu arbeiten. Letzteres betrifft immerhin über 60 Prozent der Studierenden. Insgesamt soll die „konkrete Verbesserung der Studiensituation für alle“ erzielt werden, so Regis.

Insbesondere nach den Bologna-Reformen und der Umstellung auf das Bachelor-/Mastersystem wird dem Studium immer mehr Verschulung nachgesagt. Viele Studierende beklagen die mangelnde Freiheit und Eigenverantwortlichkeit, die das strikte Sammeln von Leistungspunkten mit sich bringt. Bisher geraten Studierende unter großen Druck, sollten sie die Anzahl der erlaubten Fehlzeiten überschreiten. Besonders problematisch ist dies, wenn das Studium über Bafög finanziert wird und die Regelstudienzeit nicht eingehalten werden kann. Dazu kann es bereits kommen, wenn ein Seminar beispielsweise aufgrund längerer Krankheit nicht besucht werden kann. Die Möglichkeit, in einem Seminar auch mehr als zweimal zu fehlen, soll zur Entschleunigung beitragen und Druck abbauen.

Regelung existiert andernorts bereits

In anderen Bundesländern wie Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ist die Regelung längst Usus. Sophia Schiebe vom AStA-Vorstand betont, dort würden die Studierenden weiter fleißig ihre Lehrveranstaltungen besuchen. „Anders als es dargestellt wird, ist es nur eine Befreiung von der Anwesenheitspflicht, aber kein Anwesenheitsverbot“, fügt Schiebe hinzu. Die Befreiung ermögliche außerdem, sich neu zu justieren und im Studium anzukommen, ein Punkt, der vor allem für jüngere Studierende von Vorteil sein kann.

Ein Nebeneffekt der Abschaffung ist auch die Überprüfung der Qualität der Lehre. Auch wenn dieser Punkt laut des AStAs nicht im Fokus stünde und keinesfalls ein „Dozenten-Bashing“ vorangetrieben werden soll, ganz von der Hand zu weisen ist der Effekt nicht. Dennoch ginge es hauptsächlich um die Verbesserung des Alltags der Studierenden, betont Schiebe.

Wann und vor allem wie genau das Gesetz umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Die Kritik ist, besonders auf Seiten der Hochschulen, durchaus begründet. Dennoch ist das Ziel, das sich die Regierung gesetzt hat, positiv zu vermerken, da die Rolle der Studierenden gestärkt werden soll.

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