Die Zeit nach dem Bachelor ist spannend: Wie geht es nach dem Abschluss weiter? Setze ich einen Master drauf oder stürze ich mich ins Berufsleben? Bleibe ich meinem aktuellen Wohnort treu oder zieht es mich woanders hin? Fragen über Fragen, die sich wohl jedem Studierenden stellen und auf die jeder eine andere Antwort findet. Fünf Studierende erklären, was ihre ganz persönliche Antwort war und warum sie sich für ihren jeweiligen Weg entschieden haben – und zeigen, dass viele Wege zum Ziel führen.
„Ich würde alles nochmal genauso machen“
Julien-André Lange (25), hat nach seinem Bachelorabschluss an der CAU direkt mit dem Master in Politikwissenschaft und Philosophie in Kiel weitergemacht
Ich hatte ursprünglich vor, den Master „Politics, Economics and Philosophy“ an der Univerisität Hamburg zu machen. Als ich für diesen im Wintersemester 2015 nicht angenommen wurde, wollte ich erst einmal den Master in Kiel anfangen und es in einem Jahr wieder versuchen. Die Voraussetzung für die Bewerbung für den Master in Hamburg ist allerdings eine recht hohe Punktzahl beim Toefl Test, dieser kostet wiederum knapp 200€ zuzüglich der Vorbereitungsunterlagen. Nachdem ich zweimal in der gleichen Kategorie zu wenig Punkte erreicht hatte, habe ich mich für einen dritten Termin angemeldet. Einen Nachmittag habe mich gefragt, warum ich mir überhaupt so einen Stress mache. Ich war glücklich in Kiel, kam mit den Dozenten prima aus, hatte Spaß am Studium und ein soziales Umfeld, in dem ich mich sehr wohl fühlte. Also habe ich auf mein Bauchgefühl gehört und mich vom Toefl Test abgemeldet.
Ein Vorteil daran, Bachelor und Master an derselben Uni zu machen, ist natürlich, dass man sich bereits an der Uni und mit den Online-Anmeldeportalen auskennt – und wenn das mal nicht der Fall sein sollte, weiß man, an wen man sich wenden kann. Was das Studium betrifft, ergibt sich der Vorteil, viele Dozenten und Professor*innen bereits zu kennen, und die Kurse nach Fachgebiet, Kompetenz und vielleicht etwas nach Sympathie zu wählen.
Ein Nachteil ist, wie ich finde, der ausbleibende Reiz von Neuem im Studium. Zwar ist man nun ein/e „Master-Student*in“, jedoch ändert sich nicht viel. Es ergeben sich zwar meistens ein paar mehr Wahlmöglichkeiten, dennoch bleibt alles beim Alten. Wiederum dabei ist der Vorteil am Nachteil, damit klarzukommen, das was man hat, wertschätzen zu lernen und etwas mehr zur Ruhe zu kommen. Man kann jeder Seite etwas abgewinnen und letztendlich kommt es auf einen selbst an, mit welcher Entscheidung man sich am glücklichsten fühlt.
Obwohl ich in derselben Stadt geblieben bin, hat sich etwas für mich verändert. Ich bin mit meinem Eintritt in den Master auch nochmal innerhalb Kiels umgezogen. Vom Südfriedhof in die Wik ist ja schon mal ein ganz schönes Stück, also habe ich mich erst einmal an die neue Umgebung gewöhnen müssen. Fast als wenn ich die Stadt gewechselt hätte, nun habe ich nicht mehr Aldi, sondern Penny um die Ecke, das macht schon was aus.
Ansonsten merke ich aber auch, dass ich von Semester zu Semester noch glücklicher mit meiner Entscheidung bin, in Kiel geblieben zu sein, denn Kiel ist für mich wie ein guter Mix aus Kleinstadt und Großstadt. Die Stadt bietet viele Möglichkeiten sich kreativ auszuleben, sich sozial und politisch zu engagieren und den verschiedensten Veranstaltungen nachzugehen. Andererseits ist es nicht so anonym, wie man in größeren Städten vielleicht den Eindruck haben mag. Mit jedem Jahr das man länger in Kiel wohnt, begegnet man immer mehr bekannten Gesichtern in den Straßen.
Wenn ich nochmal diese Entscheidung treffen müsste, würde ich alles genauso machen. Zwar hat mich das Jahr, in dem ich noch nicht wusste, ob ich mein Studium in Kiel abbrechen und einen anderen Master anfangen würde, etwas mitgenommen, allerdings habe ich in der Zeit auch viel über mich gelernt – vor allem, Dinge einfach mal zu genießen. Ich habe mich schon immer in Kiel sehr wohl gefühlt, trotzdem habe mich eine lange Zeit von dem Gefühl getrieben gefühlt, nochmal etwas anderes in einer neuen Stadt zu studieren. Seit meiner Entscheidung, in Kiel zu bleiben, geht es mir viel besser und ich bin wesentlich entspannter. Diese Erfahrung gemacht zu haben ist mir viel wert.
„Das wird ein richtiger Neustart“
Diana Höhne (24), zieht nach ihrem Studium in Kiel nach Göttingen, um dort den Master in Diversitätsforschung anzufangen
Nach meinem Bachelor ziehe ich eine neue Stadt. Bisher war ich erst zwei Tage zwecks Wohnungssuche in Göttingen, habe bisher aber viel Gutes darüber gehört. Gerade wenn man aus Kiel kommt, ist alles, was eine Altstadt hat, gleich ein bisschen schöner. In den zwei Tage hat es hat mir sehr gut gefallen, gerade von den Menschen her. Ich war viel in der Natur, obwohl ich relativ nahe an der Stadt war. Ich habe mich auch schon ein wenig im kulturellen Bereich umgesehen, aber man kann sich nicht auf alles einstellen. Ich werde versuchen, alles mitzunehmen, was auf mich zukommt und für alles offen zu sein. Über ein paar Hochschulgruppen wie zum Beispiel „Weitblick“ kenn ich Leute aus Göttingen, fange aber neu an. Das wird ein richtiger Neustart.
In Kiel zu bleiben, hätte ich mir vielleicht vorstellen können, wenn es hier einen Master gäbe, der mich total fesselt. Ich bin aber ganz froh, gezwungen zu sein, nochmal in eine andere Stadt zu gehen, weil ich Lust darauf habe. Es ist ja immer eine kleine Mutfrage, ob man sich das nochmal traut. Angst in dem Sinne habe ich allerdings nicht. Ich könnte mir aber vorstellen, dass der Master vielleicht doch nichts für mich ist, weil auch noch nicht so viel über ihn bekannt ist. Ich gehöre zu dem ersten Jahrgang, der diesen Master in Göttingen startet. Wir sind ein bisschen die Versuchskaninchen. Generell ist alles, was mit neuen sozialwissenschaftlichen Studiengängen zusammenhängt, noch nicht wirklich etabliert, obwohl das häufig so dargestellt wird. Man konnte sich zwar über die Studienziele im Internet informieren, aber es gibt zum Beispiel kein Modulhandbuch und ich kenne die ganze Organisation in Göttingen nicht. In Göttingen hätte ich aber die Chance, zu Gender Studies oder zu Politik zu wechseln.
Am meisten an Kiel vermissen werde ich das Wasser. Das wird schon anders, nicht mehr in der Nähe vom Meer zu sein. Das ist auf jeden Fall ein anderes Lebensgefühl. Ich werde auch die Leute vermissen, mit denen ich studiert habe, obwohl von denen auch schon viele weggegangen sind. Ich möchte gerne wieder so gut ankommen wie in Kiel, dass ich wieder so viele engagierte und motivierte Menschen kennenlerne. Dass ich eine tolle Zeit habe und gleichzeitig das Gefühl zu haben, etwas zu tun, damit es in unserer Gesellschaft besser läuft. Natürlich erhoffe ich mir auch ein konkreteres Bild, was ich später mal arbeitstechnisch machen möchte. Ein paar Vergleiche kann ich zwischen den Unis vom Hörensagen ziehen. Sozialwissenschaften sind generell schwierig und mit wenig Geld ausgestattet. In Göttingen ist aber etwas mehr Geld vorhanden als hier. Ich habe mein Studium in Kiel genossen und hatte auch tolle Dozierende, habe aber gemerkt, dass nicht genug Geld für Lehrräume und Dozierende da ist.
Jetzt muss ich erstmal meine Bachelorarbei fertig schreiben. Dann muss ich für den Master noch einiges Bürokratisches organisieren, das hält sich aber in Grenzen. Ich habe jetzt eine WG gefunden, das ging viel schneller, als ich gedacht habe. Ich habe als ich da war, gehört, dass zu Beginn der Wintersemester auch viele zelten, weil sich nichts finden. Ich hatte aber eine Auswahl und musste nicht das Erstbeste nehmen. Ich fühle mich in der WG total wohl. Es war ein bisschen anstrengend, von einer anderen Stadt aus zu suchen. Deswegen habe ich es mir so angenehm wie möglich gemacht. Ich hatte zwei WG Castings und hätte mir noch fünf weitere angucken könne, darauf hatte ich aber keine Lust. Für die Wohnung muss ich auch noch viel machen, weil ich in ein möbliertes Zimmer komme. Ich werde als Anfang Oktober Taschen packen und dann losziehen. Dann habe ich auch noch etwas Zeit, bevor die ganzen Einführungen anfangen. Die werden eine ganze Woche gehen. Dabei gibt es einen zweitätigen Workshop, in dem wir über unsere Erwartungen sprechen. Das hängt wohl damit zusammen, dass der Master an der Uni dann erst startet. Ich hoffe, dass wir viel Einfluss darauf haben, wie sich der Studiengang gestaltet. Ich hoffe, die Freiheit zu haben, interdisziplinär in viele Studiengänge reinzugucken und mir herauszunehmen, was für mich sinnvoll ist.
„Ich sehe es als persönliche Bereicherung“
Raphael Traut (25), hat nach ihrem ersten Bachelorabschluss ein weiteres Bachelorstudium aufgenommen und wechselt ab Oktober zum Master of Education in Deutsch und Wirtschaft/Politik an der CAU
Nach meinem Bachelorabschluss in den Fächern Politikwissenschaft und Europäische Ethnologie habe ich einen zweiten Bachelor, nämlich zum Studiengang Lehramt gewechselt. Diesen Abschluss habe ich gebraucht, um meinen Berufswunsch – Lehrerin – zu erfüllen. Das lag allerdings auch an meinen zuvor studierten Fächern. Politik alleine ist in Schleswig-Holstein kein Schulfach, sondern eben mit Wirtschaft kombiniert, sodass ich diesen Bereich nachholen musste. Es fehlte mir außerdem ein zweites schulrelevantes Studienfach sowie pädagogische und didaktische Anteile. Ich habe ca. im 4./5. Semester gemerkt, dass ich doch einen anderen Weg gehen möchte, als bis dahin geplant. Weil meine Entscheidung für ein zweites Studium eine Entscheidung für den Lehrerberuf und keine gegen das, was ich davor gemacht habe, war, wollte ich den Abschluss auf jeden Fall noch machen und habe nicht einfach die Fachrichtung gewechselt. Ich sehe den ersten Bachelor als persönliche Bereicherung, fachlich bringt er mir keinen relevanten Mehrwert.
Alle meine Abschlüsse werde ich nun an der CAU machen. Ich kann mir gut vorstellen, Lehrerin in Schleswig-Holstein zu werden. Kiel ist der einzige Standort landesweit, an dem Gymnasiallehramt studiert werden kann. Außerdem kannte ich die Strukturen der Uni beziehungsweise der Institute, weshalb eine Anrechnung bestimmter Module des ersten Bachelors für den zweiten einfacher war.
Mit der Entscheidung bin ich sehr zufrieden. Müsste ich mich heute nochmal entscheiden, würde ich denselben Weg wählen. Ich freue mich darauf, Lehrerin zu werden und weiß auch, dass es ohne mein erstes Studium nicht dazu gekommen wäre. Ich bereue dieses also auch nicht. Wegen der überschrittenen Regelstudienzeit hatte ich keine Bedenken. Klar würde ich gerne früher fertig sein, als es jetzt der Fall sein wird. Aber das nehme ich in Kauf für ein hoffentlich erfüllendes Berufsleben. Auch meine Eltern, die mein Studium mitfinanzieren, konnten meine Entscheidung verstehen und unterstützen mich weiterhin.
„Ich weiß, was ich will und diesen Weg verfolge ich“
Rune Weichert (22), studiert Skandinavistik und Politikwissenschaft an der CAU Kiel
Nach meinem Bachelor möchte ich in den Journalismus gehen. Da gibt es viele Wege: Entweder über freie Mitarbeit, Praktika oder ein Volontariat. Momentan strebe ich ein Volontariat beim Norddeutschen Rundfunk an. Ich habe mich schon vor meinem Abitur erkundigt, wie man am gut in den Journalismus gelangen kann. Dort habe ich von schon erfahrenen und langjährigen Journalisten und aus Fachliteratur erfahren: Studieren ja, aber möglichst kurz. Ein Master ist nicht notwendig. Bei manchen Medien wird sogar gar kein Studium vorausgesetzt. Und wenn man dann studiert, dann nicht Journalistik oder Kommunikationswissenschaften. Sprachen, Geschichte oder Politikwissenschaft sind mir da empfohlen worden und so habe ich mich dann auch entschieden.
Ich habe mich aus vielen Gründen dagegen entschieden, an der Uni zu bleiben. Zum einen finde ich, dass die Universität unheimlich bürokratisch ist. Selbst nach sechs Semestern blicke ich nicht bei allen Dingen hier durch! Außerdem habe ich gemerkt, dass ich gerne in die Arbeitswelt möchte. Einmal, weil ein Master mehr an Forschung orientiert ist. Das ist nicht unbedingt der Weg, den ich einschlagen möchte, auch weil ich denke, dass mir das nicht so liegt. Außerdem möchte ich endlich selber mein eigenes Geld verdienen und im Leben weiterkommen und Karriere machen, auch weil meine Eltern das Studium finanzieren und ich deshalb einen gewissen Ansporn habe, mein Studium schnell zu beenden, damit meine Eltern sich nicht mehr um mich kümmern müssen. Sie haben mich unterstützt und irgendwann wird es eben auch Zeit, sich um sich selbst zu kümmern. Ich möchte meinen Eltern nicht zu lange auf der Tasche liegen. Grundsätzlich bin ich aber auch sehr universitätsmüde geworden. Einmal aufgrund der schon genannten Bürokratie, aber auch der vielen Prüfungen und Leistungen. Das macht es häufig sehr eintönig. Klar, das wird auch so im Job sein, aber wenn man seinen Traumjob gefunden hat, dann kann Arbeit auch Spaß machen und abwechslungsreich sein. Ich weiß, was ich will und ein Master ist dafür kein Muss. Manchmal habe ich den Eindruck, dass Studierende einen Master machen, weil sie nicht wissen, was sie beruflich genau machen wollen. Ich weiß, was ich will und diesen Weg verfolge ich.
Ein paar Dinge am Unileben werde ich jedoch vermissen; am meisten die ganzen außerstudentischen Aktivitäten in Hochschulgruppen. Dort hatte ich immer viel Spaß und habe viele Freunde kennengelernt. Gut verzichten kann ich aber auf das viele Lernen und die vielen Hausaufgaben. Teilweise habe ich Wochenenden damit verbracht, Texte zu lesen und Hausaufgaben für die Woche zu machen oder mich auf Vorlesungen vorzubereiten. Ich freue mich auf die Selbstständigkeit im Beruf, darauf, dass ich mein eigenes Geld verdiene. Wer weiß, was alles auf mich zu kommt. Ich freue mich einfach auf viele spannende Aufgaben. Auf der anderen Seite mache ich mir auch Sorgen, dass alles nicht so klappt, wie ich es mir vorstelle. Aber da muss man einfach optimistisch sein und es bleiben. Aber eine gesunde Portion Realismus ist da auch wichtig.
„Das ist viel mehr, als ich mir am Anfang erhofft hatte“
Swantje Voß (22), studiert BWL im „Trialen Studium“ und erwartet nach ihrem Bachelor eine Festanstellung in einem Hamburger Unternehmen
Das Studienmodell, dass ich gewählt habe, nennt sich „Triales Studium“. Im Gegensatz zum dualen Studium, bei dem man während des Studiums zwar in einem Unternehmen ausgebildet wird, jedoch nicht in der Berufsschule, gliedert sich das Triale Modell in zwei Blöcke à 2 Jahre. Die ersten beiden Jahre arbeitet man als ‚ganz normaler‘ Auszubildender in einem Betrieb, in meinem Fall im Steuerbüro, und hat Berufsschule im Blockmodell. Während des Berufsschulblockes hat man nicht nur den für die Ausbildung notwendigen Unterricht, sondern auch schon Module aus den ersten beiden Semestern BWL plus die dazugehörigen Klausuren. Die Ausbildung ist von 3 auf 2 Jahre verkürzt und nach deren Abschluss geht es an die Fachhochschule, wo man dann im dritten Semester einsteigt, ohne jemals vorher an der FH gewesen zu sein. Das dritte Semester beinhaltet dann teilweise noch offen stehende Vorlesungen und Klausuren aus den ersten beiden Semestern. Ab dem vierten Semester ist man dann genauso Student wie die anderen Viertsemestler auch. Und dann geht es auch schon ins Praxissemester für ein halbes Jahr. Nach meinem Bachelor werde ich mir jetzt erstmal zwei Monate frei nehmen und diese zum Reisen nutzen. Im Herbst 2017 werde ich mit großer Wahrscheinlichkeit eine Festanstellung in einem großen Unternehmen in Hamburg, in dem ich zurzeit als Werkstudentin arbeite, beginnen.
Das entspricht eigentlich gar nicht meinen Vorstellungen, die ich am Anfang des Studium hatte. Aber es ist auch viel mehr als das, was ich mir zu Anfang erhofft hatte. Ohne weiter darüber nachzudenken, bin ich von Anfang an davon ausgegangen, einen Master an den Bachelor ranzuhängen, aber nicht, weil ich damit irgendwelche gezielten Interessen verfolgte, sondern einfach, weil ich den Eindruck hatte, dass „macht man so“, wenn man ein „vollständiges“ Studium abschließen möchte. Nun habe ich die Chance, direkt nach dem Bachelor in einem renomierten Unternehemen fest eingestellt zu werden mit besten Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten. Das hätte ich vor drei Jahren noch nicht gedacht. Jetzt freue mich besonders auf die Arbeit mit meinen Kollegen. Im Team kann man vieles schaffen, was alleine viel länger dauern würde. Ich habe bisher richtig viel Glück gehabt mit meinen Kollegen und ein tolles Miteinander erfahren. Jeder hilft dem anderen und egal in welcher Position man ist, wird man als Person, die man ist, respektiert und wertgeschätzt. Ich habe viel Respekt vor Aufgaben, die einen zur Verzweiflung bringen und denen man sich nicht gewachsen fühlt. Die wird es mit 100-prozentiger Sicherheit geben und das sind dann Momente, in denen ich gerne den Kopf in den Sand stecken würde. Nur löst das das Problem leider auch nicht, also muss man sich was anderes überlegen. Aber irgendwie schafft man das am Ende meistens doch und fühlt sich hinterher schlauer als zuvor.
Ein richtiges Studentenleben hatte ich während des Studiums eher nicht. Die ersten beiden Semester waren zwei Jahre mit 40-Stunden-Wochen und doppelter Lernbelastung für Ausbildung und Studium im Wechsel. Das dritte Semester war dann zwar am Campus und ohne Vollzeitarbeit, aber dadurch, dass noch Module aus den ersten beiden Semstern nachgeholt werden mussten, war der Stundenplan im Vergleich zu denen anderer Drittsemestler Wahnsinn. Dann kam allerdings das vierte Semester, 20 Wochen Pflichtpraktikum im Betrieb. Wieder kein Studentenleben. Und dann im 5. Semester könnte man noch mal richtig das Studentenleben genießen, aber weil es mir im Praxissemster im Betrieb so gut gefallen hat, arbeite ich dort weiter als Werkstudent.
Ich konnte sowohl in die Arbeit- als auch in die Uniwelt reinschnuppern. Der größte Unterschied zwischen den beiden ist für mich die Selbstbestimmung. Als Student ist es den Leuten total egal, was du wann wie machst, solange man dabei andere nicht stört. Du musst bzw. darfst alles für dich selbst entscheiden. Geh ich morgen zur Vorlesung oder mache ich heute Abend lieber die Nacht zum Tag? Fang ich heute schon an, den Bericht zu schreiben oder doch lieber erst auf den letzten Drücker? Gefällt mir die Vorlesung oder belege ich lieber dieses Semester ein anderes Modul? Das sieht in der Arbeitswelt ganz anders aus. Ein gewisses Maß an Selbstbestimmung hat man ganz sicher auch dort. Selbständige Arbeitseinteilung und Flextime sind nur zwei Beispiele. Aber dennoch ist man als Angestellter und insbesondere als Azubi in einer untergeordneten Position. Du kannst nicht einfach sagen „ach heute hab ich aber echt keine Lust auf XY. Egal, mach ich vielleicht was anderes“. Denn die Arbeit muss gemacht werden und es geht nicht nur um einen selber, sondern um die Kunden, die Kollegen und das ganze Unternehmen.
Obwohl ich jetzt in das Arbeitsleben einsteige und schon Praxiserfahrung habe, fühle mich nicht fertig ausgebildet. Der Bachelor ist ein Schritt auf dem Weg. Richtig ausgebildet wird man denke ich erst bei der Arbeit und zwar jeden Tag aufs neue. Schule und Studium geben einem sehr gute Grundlagen dafür, aber die kann man ausbauen. Ich glaube richtig „fertig“ ist man nie. Oder doch, wenn man einen Beruf ausübt, in dem man jeden Tag das gleiche macht. Aber das kann ich mir zurzeit für mich nicht vorstellen. Ich habe in den letzten drei Jahren so viel gelernt. Trotzdem habe ich das Gefühl, wenig zu wissen. Aber da mache ich mir keinen Stress, das kommt schon alles mit der Zeit. Wer weiß, was die nächsten Jahre bringen?