In meinem ersten Artikel zum Thema DaZ berichtete ich über die Besetzung einer erstmaligen Juniorprofessur für „Deutsch als Zweitsprache und fachbezogene Sprachförderung“. Seitdem ist einiges passiert. Was verändert sich in der Lehramtsausbildung? Ich stellte mich der Herausforderung eines DaZ-Zertfikates.
Die Debatte um die Ausbildung von Lehrkräften in Schleswig-Holstein ist wohl eine der kontroversesten und dynamischsten, die bildungspolitisch in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Gesellschaftspolitische Veränderungen stehen dabei oft in Wechselbeziehung zu dem Anforderungsprofil von Lehrkräften. Der Beschluss, einen professionellen Grundstein für den Unterricht in Deutsch als Zweitsprache (DaZ) an der CAU Kiel zu setzen, kam im vergangenen Wintersemester. Das Germanistische Seminar darf sich über seine neue Juniorprofessorin Inger Petersen freuen. In Kooperation mit Frau Cetinöz vom Zentrum für Lehrerbildung (ZfL) sorgt sie nun für neue Impulse und strukturelle Veränderungen: Ab WS 18/19 wird die fächerübergreifende Ausbildung in DaZ und im Umgang mit Heterogenität Eingang in den neuen Master für das höhere Lehramt finden. Weiterhin besteht die Möglichkeit, am ZfL ein DaZ-Zertifikat zu erwerben. Dies soll nun auf zwei Semester erweitert werden, um die theoretische und praktische Intensität zu erhöhen. Ich absolvierte zuletzt noch das einsemestrige Exemplar, an der Gemeinschaftsschule Kronshagen.
Ein Erlebnis mit einer internationalen Lerngruppe
Vor dem Aufwand des Zertifikates braucht sich keiner zu scheuen. Die Theoriekurse bei Frau Cetinöz vom ZfL bieten einen wöchentlichen Überblick von insgesamt zwölf Lehrveranstaltungen zum Themenfeld DaZ. Daneben hospitierten wir 24 Stunden an unserer zugeteilten Schule. Somit ergab sich ein dreistündiger Turnus über das ganze Semester. Mit einer kleinen Portion Glück zog ich das Los für die Gemeinschaftsschule in Kronshagen. Denn ebenso sind entferntere Schulen im Kreis Rendsburg-Eckernförde denkbar. Hinter dem sogenannten Wort „DaZ-Zentrum“ verbarg sich ein einfacher Klassenraum mit Gruppentischen, einer Bibliothek, zwei CD-Playern, einer Tafel, dem traditionellen Lehrerpult und einem Computer der älteren Generation – eine gemütliche Lernatmosphäre. Herzlich wurde ich aufgenommen. Durch die geringe Anzahl von knapp 20 Schülerinnen und Schülern werden alle vom Alter elf bis ungefähr 16 Jahre einzeln gefördert und gemeinsam unterrichtet. Eine pädagogische Herausforderung, die durch die Vielzahl an Nationalitäten bereichert wird: Syrien, Irak, Türkei, Armenien, Italien, Spanien und Afghanistan. Aber das ist noch nicht alles, eine Handvoll Kinder und Jugendliche kamen teilweise ohne jegliche Schreibfähigkeit in die Lerngruppe. Immerhin stellt das Ministerium knapp 1,5 Stellen für die 20-köpfige Gemeinschaft zur Verfügung. Die zuständige Lehrkraft und Koordinatorin Frau Thomsen meistert diese Komplexität. Den Regelunterricht hat sie für das DaZ-Zentrum beinahe aufgegeben. Sie erweiterte das Netzwerk um eine AWO-Mitarbeiterin, die jeden Freitag mit der Gruppe einen Ausflug unternimmt. Sie leistet Hausbesuche, Elterngespräche und wirkt gleichzeitig an der Integration der Kinder und Jugendlichen mit.
Schwierige Umsetzung in der Praxis
Eine enorme Dynamik durchzog den Unterricht. Manche Schülerinnen und Schüler waren gerade erst in Deutschland angekommen, manche bereiteten sich auf ihren Schulabschluss vor, manche nahmen schon am Unterricht in Regelklassen teil. Dadurch waren eher wenige gemeinsame Sprachübungen möglich, eher musste in Still- oder Gruppenarbeit mit einem individuellen Lernwerk gelernt, geübt und trainiert werden. Der Kontrast zu vorherigen Schulerfahrungen wurde schnell ersichtlich: eine ungeheure Fülle an Wertschätzung und Dankbarkeit für die Unterstützung. Die Sprache ist völlig nebensächlich. Wenn mal ein Wort fehlte, besaß jeder sein maßgeschneidertes Wörterbuch, von Arabisch bis Kurdisch und Russisch ist alles im Repertoire der Bibliothek.
Was bleibt?
Mit einer kritischen Distanzhaltung ging ich in den DaZ-Unterricht hinein. Ich empfehle dieses Vorhaben jedem, der gerne in einem internationalen Ambiente arbeitet und sich auch ein bisschen für den Umgang mit Heterogenität sensibilisieren möchte. Nicht nur die Deutschlehrkräfte werden mit diesen neuen Anforderungen konfrontiert werden. Jedes Fach erfordert einen hohen Grad an sprachlicher Kompetenz. Die eigene Haltung verändert sich von Tag zu Tag, mit jeder Nachricht und jedem Anschlag in der Welt. Durch die Schicksalsberichte kleiner Kinder und Jugendlicher bietet sich eine bewegende Möglichkeit für Perspektivwechsel. Es beginnt sich etwas zu entwickeln, was ich mit „Aufstehen, aufeinander zugehen, voneinander lernen, miteinander umzugehen“ betiteln könnte. Die DaZ-Ausbildung an der CAU Kiel wird professioneller, intensiver und somit Grundlage für die Integration durch Sprache. Hoffentlich auch noch, nachdem das Politikum aus den Medien verschwunden ist.