Aus dem Seminarraum die Welt verändern

Manchmal ist Universität so viel mehr, als sich eine Vorlesung anzuhören und Notizen zu machen. Die beiden Masterstudentinnen Laura (28) und Gabriela (23) zeigen mit ihrem Projekt Regel.Recht, wie eine Idee aus einem Seminarraum heraus den Campus beeinflussen kann. Sie möchten Frauen davon überzeugen, statt Tampons und Binden nachhaltige Alternativen während der Menstruation zu verwenden.

Wie ist die Idee zu Regel.Recht entstanden?

Laura: Wir sind beide Masterstudentinnen an der CAU Kiel. In unserem Studium gibt es einen Kurs, der sich „Social Changemaker“ nennt. Während des Seminars haben wir die Möglichkeit bekommen, ein Projekt zu planen, welches einen ökologischen oder sozialen Vorteil für Kiel und vielleicht auch Deutschland bietet.

Am Anfang habe ich über Plastik nachgedacht, weil mich das Thema wirklich sehr beschäftigt hat. Einwegprodukte sind ein großes Problem für das Meer. Aber so wirklich ist mir dazu kein Projekt eingefallen, da Deutschland in diesem Bereich bereits relativ gut aufgestellt ist.

Als in den USA die Wahlen anstanden, hat mich die dortige Situation für Frauen sehr geärgert, insbesondere was reproduktive Rechte betrifft. Dann hat es bei mir Klick gemacht und ich habe die beiden Themen miteinander verbunden. Ich habe über Menstruation nachgedacht und wie wir dabei Einwegprodukte benutzen, dabei aber nicht wirklich über die Nebeneffekte nachdenken. Gabriela und ich haben das Ganze näher unter die Lupe genommen und waren überrascht von all den Punkten, die mit Menstruation zusammenhängen und dass wir uns nie wirklich die Zeit nehmen, uns näher damit zu beschäftigen.

Gabriela: Ich habe Lauras Vorschlag gesehen und ihn wirklich gemocht, weil es die Abfallwirtschaft thematisiert hat. Als sie die Idee vorgestellt hat, habe ich gedacht: Ja, das ist großartig! Wir leben jeden Tag mit der Thematik, aber wir denken nie wirklich darüber nach. Das Projekt hat mir also wirklich die Augen geöffnet.

 

Wie haben eure Dozierenden und Kommilitonen auf das Projekt reagiert?

G: Ich glaube, der erste Eindruck bei allen war „Das ist etwas merkwürdig, aber auch wahr“. Zuerst ist es komisch, wenn du eine solche Idee vorstellst. Aber je mehr die Leute darüber hören, desto mehr merken sie, dass über dieses Thema gesprochen werden muss.

Unser Professor hat uns unglaublich unterstützt. Er hat uns dazu gebracht, das Projekt stärker auszuweiten.

Die Universität ist ein idealer Bezugspunkt für unser Projekt. Zunächst sprechen die meisten Studierenden sehr gut Englisch, wodurch wir die Workshops auch auf Englisch abhalten können. Außerdem sind Frauen an der Universität in einem geeigneten Alter, um zu einer nachhaltigeren Alternative zu wechseln. 18- bis 30-Jährige sind eine gute Zielgruppe.

L: Du bist in deiner Auswahl noch flexibel. In diesem Alter sind Frauen sehr offen für das, was Gleichaltrige sagen. Gleichzeitig bietet die Universität einen einfachen Zugang zu den Frauen. Es ist einfach für uns, mit Frauen zu sprechen, weil wir beide Studentinnen sind.

 

Welche Probleme hängen mit der Menstruation und den verwendeten Einwegprodukten zusammen?

L: Uns ist aufgefallen, dass es dabei vier Hauptpunkte gibt. Erstens gibt es gesundheitliche Effekte. Die Produzenten von Tampons und Binden benutzen viele Chemikalien wie zum Beispiel Bleichmittel. Diese Produkte kommen dann in Kontakt mit der Vagina, die ein sehr absorbierender Teil des Körpers ist. Außerdem gibt es in der Vagina natürliche Bakterien, die mit den Chemikalien reagieren und so Irritationen hervorrufen können. In den 80er Jahren gab es einen großen Aufschrei im Zuge des toxischen Schocksyndroms. Seitdem unterliegen die Produkte bestimmten Regulationen. Aber trotzdem werden Tampons noch immer als medizinische Hilfsmittel geführt, so dass Firmen nicht dazu verpflichtet sind, die genauen Inhaltsstoffe aufzulisten. Somit haben Frauen gar nicht den Zugang zu allen Informationen über die Chemikalien, die die Produkte enthalten. Oft sind Frauen sich dessen nicht einmal bewusst, weil Themen, die die Gesundheit von Frauen betreffen, oftmals keine finanzielle Förderung bekommen. Deshalb gibt es wenige Langzeitstudien dazu.

G: Auch die Umwelt ist ein Problem. Frauen verbrauchen ungefähr 17.000 Tampons in ihrem Leben. Diese sind nur schwer abzubauen, das dauert um die 500 Jahre. Es gibt keinen Weg, die Tampons zu recyclen. Es ist Abfall, für den es keine Lösung gibt.

L: Und schließlich das Finanzielle. Tampons und Binden sind eine monatliche Ausgabe; sie müssen jeden Monat neu gekauft werden. Deutschland erhebt auf diese Produkte die Luxussteuer von 19 Prozent. Andere Dinge wie Kaviar oder frische Blumen jedoch werden steuerlich als Alltagsgegenstände betrachtet. Es gibt also einen Unterschied zwischen dem, was als Luxus betrachtet wird und was nicht. Hier liegt ein feministisches Problem vor.

Zuletzt existiert außerdem ein Stigma. Die Leute sprechen nicht gerne über Menstruation: Darüber redet man nicht, sondern regelt es privat. Das ist heute noch immer ein Problem. Es gibt Studien, die zeigen, dass wenn eine Frau einen Tampon fallen lässt, Menschen schlechter von ihr denken als wenn sie beispielsweise eine Haarnadel verliert. Es gibt also noch immer ein Tabu.

 

Wie verhält es sich mit dem Tabu unter euren Freunden?

G: Ich denke, das ist sehr von der Kultur abhängig. Vergleicht man mein Heimatland Chile und Deutschland, gibt es sehr unterschiedliche Einstellungen. In Chile gehen die Leute offener mit dem Thema um. Frauen schämen sich nicht, wenn sie sich einen Tampon oder eine Binde leihen müssen. Sie sprechen auch mit ihren Familien sehr offen darüber.

L: In den USA hängt es davon ab, in welchem Teil des Landes du dich befindest. Einige Leute fühlen sich mit dem Thema sehr wohl; einschließlich mir selbst. Als ich jedoch in einem Büro gearbeitet habe, in dem ausschließlich andere Frauen angestellt waren, ist mir etwas aufgefallen. Ich habe meine Tampons immer in eine Box getan, wenn ich zur Toilette gegangen bin, um sie zu verstecken. Warum habe ich das gemacht? Es war, als dürfte niemand wissen, dass ich gerade meine Regel habe. Da legt man manchmal ein merkwürdiges Verhalten an den Tag.

Während des Projekts haben wir viel in Gruppen bei Facebook gepostet, um auf uns aufmerksam zu machen. Dabei haben wir auch negative Kommentare erhalten.

G: Wir haben unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Einerseits gab es sehr unterstützende Antworten, die es befürwortet haben, dass wir uns mit dem Thema beschäftigen. Andererseits gab es sowohl Männer als auch Frauen, die uns verurteilt haben. Ich denke, diese Reaktionen zeigen, wie wichtig das Projekt ist, weil es immer noch dieses Stigma betreffend die Menstruation gibt. Warum sollten wir nicht darüber reden? Es ist natürlich, es passiert jeden Monat und es ist einfach nur Blut.

 

Wie genau geht ihr die von euch geschilderten Probleme an?

L: Unser Fokus liegt darauf, jungen Frauen mehr über das Thema beizubringen und so durch Face-to-Face-Kontakt und Events das Tabu zu brechen. Wir möchten außerdem Alternativen zu Tampons und Binden aufzeigen. Dabei konzentrieren wir uns auf die Menstruationstasse, die es ungefähr genauso lange gibt wie Tampons. Aber dadurch, dass sie im Gegensatz zu Tampons nicht jeden Monat neu gekauft werden müssen, bietet sich kein allzu großer Markt für Firmen und deshalb werden sie nicht so stark beworben. Aus diesem Grund sind die Tassen nicht so bekannt.

Als ich mit Freundinnen darüber geredet habe, zur Menstruationstasse zu wechseln, haben viele gesagt, das sei eklig. Aber wenn man erst einmal damit angefangen hat, die Tasse zu benutzen und über seine Erfahrungen berichten kann, kann man viele Sorgen lindern. Dann sind andere Frauen auch eher dazu bereit, die Tasse selbst auszuprobieren.

G: Ich denke es geht dabei auch um die Angst vor dem Unbekannten. Aber was die Handhabung angeht, sind sich Tampons und Menstruationstassen recht ähnlich. Man braucht davor gar keine Angst zu haben.

L: Grundsätzlich wollen wir in der Uni Workshops anbieten, die lehrreich sind und gleichzeitig einen sozialen Aspekt haben, damit es keine unbequeme Angelegenheit wird. Wir bauen dabei auf Humor. Außerdem hatten wir am 14. Februar eine Veranstaltung zum Galentine’s Day, bei der wir den Tag gefeiert haben, aber auch Informationen über Menstruation herausgegeben haben.

G: Wir wollen alles interaktiver machen. Manchmal kann das Thema wirklich nervig sein, aber wir wollen, dass es mehr Spaß bringt, darüber zu reden. Wir haben auch eine Weile gebraucht, um uns alle Informationen anzueignen, bevor wir zu Menstruationstassen gewechselt sind. Aber es ist nicht so, dass man jahrelange Erfahrung braucht, um zu einer nachhaltigen Alternative zu wechseln.

L: Wir glauben, dass Face-to-Face-Kontakt zwischen Frauen der Schlüssel dazu ist, eine nachhaltige Veränderung zu erzielen. Von anderen Leuten zu hören, dass etwas normal ist und sie dieselben Probleme haben, kann hilfreich sein. Frauen können frei darüber entscheiden, wie sie mit ihrer Menstruation umgehen, aber sie sollten vorher Zugang zu allen Informationen darüber haben.

G: Unser Plan ist, drei Workshops und vier Events zu veranstalten. Die Events haben den Zweck, Leute dazu zu animieren, die Workshops zu besuchen. Wir möchten zum Beispiel eine „Cupperware“-Party veranstalten, bei der wir verschiedene Menstruationstassen präsentieren. Die Workshops drehen sich dann um den Zyklus und was dieser mit dem weiblichen Körper macht. Um festzustellen, wie erfolgreich die Workshops waren, wollen wir am Ende Bewertungsbögen verteilen.

 

Wie bringt ihr die Menstruationstassen an die Frau?

L: Momentan arbeiten wir mit Ruby Cup zusammen. Für jede Tasse, die wir kaufen, spenden sie eine Tasse an Mädchen in Entwicklungsländern. Die Mädchen sind überproportional von ihrer Periode betroffen. Sie haben keinen Zugang zu Hygieneartikeln und sanitären Anlagen. Deshalb verpassen sie oft die Schule oder können nicht zur Arbeit gehen und fallen hinter den Jungs zurück. Anstatt nur Tassen zu verteilen, gibt Ruby Cup auch Informationen heraus. Die Firma stellt die Infrastruktur sowie die Anleitung bereit, die man benötigt, um sich besser über die eigene reproduktive Gesundheit zu informieren.

Im Laden kosten die Tassen um die 27 Euro, aber Ruby Cup gibt uns spezielle Konditionen, damit wir sie für 12 Euro auf dem Campus verkaufen können. Damit sind die Menstruationstassen für Studentinnen an der Uni um einiges günstiger.

G: Das Geld wird dafür eingesetzt, Workshops und Events zu veranstalten. Wir sind eine Non-Profit Organisation. Zu dem Seminar gehörte, sich bei einem Wettbewerb von Yooweedoo anzumelden. Wenn wir den gewinnen, bekommen wir 2.000 Euro. Wir haben die erste Phase hinter uns und sind jetzt im öffentlichen Voting, das bis zum 8. März geht. Wir hoffen auf viele Stimmen, damit wir den Gewinn in Projekte für das nächste Semester stecken können.

 

Was sagt ihr zu Leuten, die meinen, man könne einfach die Pille durchnehmen und so gar keine Menstruation mehr haben?

L: Wie auch immer eine Frau ihren Körper behandeln möchte, ist ihre Wahl und wir unterstützen das. Sie benötigt aber alle Fakten dazu. Ich glaube, viele Frauen nehmen die Pille, weil die Regel etwas ist, womit sie sich nicht auseinandersetzen möchten. Aber sie informieren sich nicht über die Nebeneffekte. Aktuelle Studien zeigen, dass die Einnahme der Pille eng mit Depressionen verbunden ist. Außerdem lastet die Verantwortung bei der Verhütung damit auf den Schultern der Frau und ich denke, das ist nicht immer fair. Das hat viel mit größeren Themen der Ungleichheit zu tun und es ist wichtig, das zu verstehen. Nochmal, wir unterstützen jede Entscheidung, die eine Frau fällt, aber sie muss Zugang zu allen Informationen haben, um zu wissen, was am besten für sie ist.

 

Was sind eure Wünsche für die nächsten ein oder zwei Jahre?

L: Am Anfang hatten wir die Idee, eine Fahrradtour durch die deutsche Universitätsstädte zu machen, um unsere Botschaft zu verbreiten. Aber bisher sind wir nur zwei Leute, die sich um das Projekt kümmern, deshalb ist die Tour momentan nur schwer durchzuführen. Vielleicht klappt die Tour ja im nächsten Jahr.

Außerdem möchten wir in einem nächsten Schritt gerne Männer miteinbeziehen. Mit unseren Workshops zielen wir überwiegend auf Frauen ab, aber unsere Events sind für alle offen. Wir haben auf dem Campus bereits positives Feedback von Männern bekommen. Manche fühlen sich mit dem Thema Menstruation nicht so wohl, aber andere sind total offen. Wir sehen uns selbst als Umweltschützerinnen und Feministinnen and für mich bedeutet Feminismus Gleichheit für alle. Dafür braucht man Männern genauso wie Frauen.

G: Ich wünsche mir, dass unser Projekt vielen Frauen die Augen öffnet. Je mehr Frauen darüber nachdenken und ihre Menstruation als einen richtigen Zyklus begreifen, desto besser. Wenn sie dann auch noch von Einwegprodukten zu nachhaltigen Alternativen wechseln würden, wäre das toll.

 

Das Interview wurde aus dem Englischen übersetzt. 

 

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