Die CAU forscht und lehrt nicht nur viel zu den Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit, sie hat sich auch ein eigenes Ziel gesetzt: Der eigene Universitätsbetrieb soll bis 2030 weitestgehend klimaneutral werden. Um den eigenen CO2-Ausstoß zu reduzieren, ergreift das Umweltmanagement der CAU viele Maßnahmen und Kampagnen. Kürzlich hat das klik-Team (klik – klima konzept 2030) eine Interviewreihe gestartet. Renommierte Professoren erklären, warum der Klimaschutz noch ernster genommen werden muss und wie der Konsum nachhaltiger gestaltet werden kann. Die Interviews erscheinen als Gastbeiträge auf dem KN-College-Blog. Sie lesen ein Interview mit … Professor Christian Berg.
Er studierte Physik, Philosophie und Theologie und promovierte in der Theologie zum Verhältnis von Theologie und Naturwissenschaft und in den Ingenieurwissenschaften zur Frage, wie sich Vernetzung auf Nachhaltigkeit auswirkt. Zwischen 2004 und 2016 war er beim Softwarehersteller SAP tätig, dort unter anderem in der Managementberatung verantwortlich für das Thema Nachhaltigkeit. Neben seiner Lehrtätigkeit im Bereich Politikwissenschaft an der CAU ist er Honorarprofessor für Nachhaltigkeit und Globalen Wandel an der Technischen Universität Clausthal.
klik 2030 Mit welchen Fragestellungen beschäftigen Sie sich aktuell, woran forschen Sie?
Prof. Berg: Ich beschäftige mich im Moment mit der Frage: Warum sind wir als Konsumenten und Gesellschaft eigentlich nicht nachhaltiger? Ich habe mich in verschiedenen Kontexten mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt. In der Wirtschaft, in der Politikberatung, in der Lehre. Es gibt die, die das Thema sehr stark moralisieren. Was aus meiner Sicht insofern natürlich eine Berechtigung hat, weil es schon eine normative Frage ist. Aber andererseits bringt es das Problem mit sich, dass wir uns unter einen immensen Druck stellen, wenn wir nicht sehen, dass es letztlich auch eine systemische Frage ist. Ich möchte deshalb erforschen, wie man die Gründe für Nicht-Nachhaltigkeit kategorisieren kann. Dabei unterscheide ich in intrinsische und extrinsische Gründe.
klik 2030 Können Sie diese Gründe genauer ausführen?
Prof. Berg: Intrinsisch sind die Gründe, die mit dem Konzept der Nachhaltigkeit selber zu tun haben. Beispielsweise sind immer Probleme von Komplexität zu bewältigen, wenn man eine langfristige, globale zukunftsfähige Entwicklung haben möchte. Diese sind intrinsisch mit dem Konzept der Nachhaltigkeit verbunden. Zu den extrinsischen Gründen zählen zum Beispiel die Anreizstrukturen des Marktes und der Rahmen des Marktes generell. Es wäre prinzipiell denkbar, dass es andere Marktmechanismen gibt, in denen man nachhaltiger wirtschaften kann. Im ersten Schritt denke ich darüber nach, wie man diese Probleme kategorisieren kann. Im zweiten Schritt ist dann zu überlegen, wie man diese Barrieren für nachhaltiges Handeln überwinden kann, um nachhaltiges Handeln zu unterstützen.
klik 2030 Also wenn wir diesen zweiten Schritt schon einmal als gegeben annehmen. An wen sind dann die Ergebnisse Ihrer Forschung gerichtet, gehen die eher an die Politik, wirtschaftliche Akteure oder die einzelnen Nutzer/innen?
Prof. Berg: Wer die Hauptzielgruppe sein wird, kann ich noch nicht genau sagen. Im Moment bin ich zum Beispiel in einen Diskussionsprozess des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz eingebunden, wie man den Konsum nachhaltiger gestalten kann. Der Adressat dieser aktuellen Fragestellung ist die Politik. Aber die Politik sucht nach Instrumenten, wie man den Konsum der Verbraucher/innen, aber auch für die Industrieproduktion, nachhaltiger gestalten kann. Insofern wäre der unmittelbare Adressat die Politik und der mittelbare die Gesellschaft.
klik 2030 Sie haben auch bei SAP in der Unternehmensberatung im Bereich Nachhaltigkeit gearbeitet. Welche Rolle sollten Hochschulen im Allgemeinen und die CAU im Speziellen beim Thema Umwelt- und Klimaschutz einnehmen?
Prof. Berg: Bei allen Organisationen ist es wichtig darauf zu achten, was die Kernkompetenz ist. Beim Kerngeschäft muss man schauen, ob die Prozesse und die Produkte so organisiert werden können, dass sie nachhaltiger sind. Und wenn ich das auf die Uni anwende dann muss man sagen: Gebäudemanagement und Umweltmanagement sind sicherlich wichtig, um ein Bewusstsein zu schaffen und ein Stück weit ein Vorbild zu sein. Aber ganz zentral ist, wie Forschung und Lehre organisiert sind und ob dort die Weichen so gestellt werden, dass das Thema nachhaltige Entwicklung vorangetrieben wird. Da gibt es aus meiner Sicht einige positive Erfahrungen und Entwicklungen. Zum Beispiel die Kiel School of Sustainability, ein interfakultäres Programm, das Nachhaltigkeit in der Lehre vorantreibt. Nach wie vor ist es aber so, und auch meine persönliche Erfahrung, dass die disziplinären Grenzen und Barrieren immer noch recht hoch sind. Da wäre es wichtig anzusetzen und nach Wegen zu suchen, Interdisziplinarität wirklich von einem Lippenbekenntnis in die Umsetzung zu bringen.
klik 2030 Diese Interdisziplinarität und die Veränderung in der Forschung. Wo muss der Antrieb herkommen, aus der Universität selbst oder kann die Politik Anreize geben?
Prof. Berg: Zu warten bis die Politik was tut, wäre zu wenig. Die Hochschule hat selber schon Möglichkeiten. In vielen Bereichen, was Prüfungsordnungen und interdisziplinäre Kooperation in der Lehre angeht, gibt es noch Raum nach oben, den die CAU noch stärker nutzen könnte. Wir sind in Vielem an der Universität, und da sind wir wieder beim Thema Nachhaltigkeit, auf disziplinäre Spezialisierung konzentriert. Die Anreizsysteme funktionieren im Rahmen der Logik der Fachbereiche und Fakultäten. Das zieht sich durch das gesamte akademische Leben durch und da brauchen wir aus meiner Sicht Gegenbewegungen, die diese disziplinäre Spezialisierung aufbrechen und integrative Ansätze fördern.
klik 2030 Sie haben sehr lange bei SAP gearbeitet, sind jetzt wieder in der Forschung und Lehre tätig. Gab es etwas wo Sie gesagt haben: Die Arbeit im Bereich Nachhaltigkeit hat meinen Lebensstil verändert?
Prof. Berg: Die Beschäftigung mit dem Thema Nachhaltigkeit und Umweltschutz ist sicherlich bei mir, wie bei vielen anderen vermutlich auch, aus einem inneren Antrieb heraus entstanden. Insofern ist die Frage, was zuerst da war. Vielleicht ist die Einsicht in mir gewachsen, dass das Thema Nachhaltigkeit nicht primär in moralischen Kategorien diskutiert werden darf, sondern zuerst in strukturellen und systemischen Kategorien gesehen werden muss. Das hat einen entlastenden Effekt. Ich glaube, dass das Verhalten des Einzelnen schon wichtig ist. Aber man kann nicht bei jeder Kaufentscheidung die Welt retten wollen – das würde überfordern, mittelfristig frustrieren und im Ergebnis auch gar nicht genügen, denn es sind Strukturen, Mechanismen, Anreizsysteme und Prozesse, die sich ändern müssen.
klik 2030 Wo sehen Sie denn unsere Gesellschaft in der derzeitigen Situation im Bereich Umwelt- und Klimaschutz?
Prof. Berg: Ich persönlich finde es irritierend, dass viele meinen, Deutschland wäre immer noch Vorreiter im Klimaschutz, und gleichzeitig sind wir Braunkohle-Weltmeister. Das passt nicht zusammen. Der Erfolg der Energiewende ist extrem wichtig für Deutschland, aber auch für die internationale Klimadiskussion. Weil viele Menschen sagen: Wenn Deutschland das nicht hinkriegt, wer denn dann? Wenn wir nachhaltige Systemlösungen entwickeln, die wir in Deutschland selber implementieren, dann können wir sie – angepasst an die jeweiligen Bedingungen – auch an anderen Stellen der Welt aufzubauen helfen. Das sichert bei uns Arbeitsplätze und hilft anderen, rasch nachhaltigere Weisen des Wirtschaftens zu realisieren.
klik 2030 Es gibt verschiedene politische Forderungen zum Klimaschutz, welche davon sehen Sie als realistisch, welche als unrealistisch an?
Prof. Berg: Ich bin skeptisch, ob wir das Ziel der eine Millionen Elektroautos erreichen können. Ich bin auch nicht ganz sicher, ob das wirklich sinnvoll ist. Es gibt immer noch konkurrierende Systeme. Es wäre geschickt, wenn man von politischer Seite weniger bestimmte technische Technologien fördert, sondern Zielvorgaben bezüglich Ressourcenverbrauch oder der Funktionalität macht. Dann sollte man einen Wettbewerb ermöglichen, wie das denn am besten erreicht werden kann, anstatt bestimmte Technologien zu fördern. Denn welche Technologie sich am Ende durchsetzen wird, und sich als am Nachhaltigsten erweist, ist in vielen Fällen noch gar nicht absehbar!
Das Interview führte Jan Voß, Klik 2030 Christian-Albrechts-Universität Kiel.