Als Leonie auf die Uhr schaut, dauert es immer noch eine halbe Stunde bis zum Ende der Vorlesung. Sie ist müde und kann sich nur noch schwer konzentrieren. Das liegt aber nicht daran, dass sie die letzte Nacht durchgefeiert hat. Leonie ist im siebten Monat schwanger und schläft leider kaum noch eine Nacht richtig durch. Im Gegensatz zu ihr scheint ihre Tochter im Bauch ziemlich munter zu sein. Erneuter Blick auf die Uhr: Ok, zwanzig Minuten noch.
Konkrete Zahlen gibt es nicht
Leonie gehört zu den fünf Prozent der Studierenden in Deutschland, die sich laut der aktuellen Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks für ein Kind im Studium entschieden haben. So jung wie Leonie mit ihren 24 Jahren sind allerdings die wenigsten, da Studierende mit Kind im Erststudium durchschnittlich 31 Jahre alt sind. Zahlen, wie viele Studierende sich an der Kieler Universität, Fachhochschule Kiel und Muthesius Kunsthochschule für ein Kind im Studium entscheiden, gibt es nicht.
„Generell hat es sowohl Vor- als auch Nachteile in der Studienzeit eine Familie zu gründen“, sagt Sylvia Hohmann von der AStA-Beratung „Studieren mit Kind.“ Woche für Woche kommen Studierende in ihre Beratung, die ein Kind planen oder bereits eines erwarten. Viele entscheiden sich ganz bewusst für ein Kind im Studium, da man viel flexibler als im Beruf sei, so Hohmann. Außerdem sei es ein großer Vorteil sein Studium individuell planen zu können und sein Leben besser an die Familienbedürfnisse anzupassen.
Keine Anwesenheitspflicht hilft den Schwangeren
Leonie hilft es bereits jetzt in der Schwangerschaft, dass es an der Fachhochschule keine Anwesenheitspflicht gibt. „Anders als im Beruf habe ich hier kein schlechtes Gewissen, wenn ich zu erschöpft für die Uni oder einfach krank bin“, so die FH-Studentin. Auch sonst seien die Dozenten/innen in ihrem Studiengang Soziale Arbeit sehr verständnisvoll. Das Referat möglichst früh halten, weil sonst schon der Geburtstermin ist? Kein Problem. Eine Klausur nachschreiben, weil der Studienverlauf Kopf steht? Geht auch.
Trotzdem hätte sich Leonie die Schwangerschaftszeit entspannter vorgestellt: „Ich dachte früher immer Organisation ist alles und ich krieg das schon hin. Aber ich bin einfach wahnsinnig erschöpft momentan. Das hätte ich nicht erwartet.“
„Situation selbst gewählt“
Aus ihrer Erfahrung in der Beratung weiß Sylvia Hohmann, dass auch, wenn die Christian-Albrechts-Universität auf dem Papier eine familienfreundliche Hochschule sei, es noch genug Ansätze zum Nachbessern gebe. „In manchen Studiengängen ist es noch nicht wirklich angekommen, dass Studierende mit Kind sich in einer erschwerten unflexibleren Situation befinden als ihre Kommilitonen. Einige Dozenten argumentieren hier damit, dass diese Situation selbst gewählt sei“, so Hohmann.
Viele studentische Eltern hätten zudem Probleme, weil die Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder nicht ausreichen. „Die Organisation von Exkursionen gestalten sich mit Kind teilweise schwierig“, erklärt Sylvia Hohmann.
Die finanzielle Herausforderung bleibt
Das betrifft Leonie als Studentin der Sozialen Arbeit zum Glück nicht. Ein bisschen Sorgen bereiten ihr hingegen die finanziellen Herausforderungen, die auf sie zukommen. „Erst, wenn das Baby da ist, wissen wir, mit wie viel Geld wir auskommen müssen“, sagt sie.
Leonie empfiehlt Studierenden, sich möglichst breit über Förderungen zu informieren.„Vom Staat gibt es von Erstausstattung bis Elterngeld mehr Unterstützung, als ich gedacht hätte. Es ist total wichtig sich zu informieren. Zu Beginn ist man sowieso total überfordert und freut sich, wenn jemand einem alles erklärt“, so Leonie.
Nicht mehr lange und die Tochter von Leonie und ihrem Freund Basti wird geboren. Vielleicht will Leonie sie dann mit in die Universität nehmen, in die Krippe soll das Kind zunächst nicht. „In meinem Studiengang kommt es häufiger vor, dass Studierende ihre Babys und Kleinkinder mit ins Seminar nehmen. Viele Dozenten und Kommilitonen freuen sich über die Abwechslung“, so die Studentin.