Das Leben eines Studenten besteht vor allem aus Terminen: Vorlesungen, Seminare, Mensa, Lerngruppen, Einkäufe, Nebenjob, Anträge, Anmeldungen, Partys, ehrenamtliche Tätigkeiten und vieles mehr. Will man all diesen Verpflichtungen gerecht werden, muss man zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Mit stetig ansteigenden Immatrikulationen wächst so auch das Gewusel auf dem Campus immer mehr. Tausende Menschen schieben sich zu den Stoßzeiten zwischen Veranstaltungen von A nach B, quetschen sich in überfüllte Busse oder suchen verzweifelt nach einem Parkplatz. Die CAU hat deshalb vor einigen Jahren mit der Ausarbeitung eines nachhaltigen Mobilitätskonzeptes begonnen, um dem Andrang in Zukunft Herr werden zu können. In dessen zentrale Überlegungen möchte ich euch einen Einblick geben.
Grundlegende Daten und Zahlen
5575 Erstis haben dieses Semester an der Christian-Albrechts-Universität ihr Studium begonnen. An der Fachhochschule sind es nochmals 1445. Rechnet man die rund 600 jungen Männer und Frauen der Muthesius Kunsthochschule hinzu, sind zum jetzigen Zeitpunkt also insgesamt rund 36.000 Studenten in Kiel eingeschrieben – Tendenz sehr wahrscheinlich steigend.
Legt man nun die Zahlen der Befragung zum Mobilitätsverhalten von Studenten und Mitarbeitern der CAU aus dem Frühjahr 2014 zugrunde, auf die die Überlegungen aufbauen, nutzt knapp die Hälfte dieser Kommilitonen (48%) das Fahrrad als häufigstes Verkehrsmittel – im Sommer. Zum Winter hin schrumpft diese Anzahl wetterbedingt auf etwas mehr als ein Viertel (28%). Bei der Nutzung des ÖPNV, was in Kiel vor allem die Busse der KVG betrifft, verhielt sich der Trend stattdessen in die andere Richtung. Schnee und Eis bringen nicht nur Fahrräder, sondern auch die Busse (wegen Überfüllung) zum Stehen. Unbeeindruckt vom Wetter zeigen sich nur die Autofahrer (knapp unter 10%, mit leichtem Anstieg zum Winter) und die hartgesottenen Fußgänger (knapp 14% in allen Jahreszeiten).
Im Vergleich zu allen in Kiel reisenden Personen nutzen Studenten übrigens deutlich häufiger öffentliche Verkehrsmittel und das Fahrrad, während alle anderen eher auf den PKW (etwas mehr als ein Drittel) oder ihre zwei Beine zurückgreifen (30%). Ausschlaggebend hierfür sind zum einen das Semesterticket (all you can ride), das einen Wechsel auf den Bus bequem möglich macht, aber wohl auch knappe Finanzen und zentrale Wohnlagen. Lediglich 2000 Kommilitonen wohnen außerhalb des Geltungsbereich des Semestertickets und werden wahrscheinlich auf die morgendliche Radtour verzichten.
Mängel in der Infrastruktur
All diese nüchternen Zahlen in Relation zu den Kapazitäten der Hochschulinfrastruktur gesetzt, kommen die Initiatoren der Erhebung zu der Erkenntnis, dass an der CAU (Mitarbeiter eingerechnet) hohe PKW- und Radverkehrsanteile bestehen, besonders die Bereiche ÖPNV und Radverkehr aber an ihrer Kapazitätsgrenze liegen. Zwar gibt es auf dem Campus mit 2700 Parkplätzen derzeit genug Möglichkeiten, um PKW abzustellen, allerdings muss die CAU in den nächsten Jahren vorübergehend neue Stellflächen anmieten, weil alte Parkplätze dringend benötigten Neubauten zum Opfer fallen – Beispiel Juridicum. Erschwerend dürfte hinzukommen, dass Uni-Parkplätze regelmäßig auch für Anwohner eine bequeme Stellfläche bieten. Autofahrer, die regelmäßig über lange Fußwege klagen, weil vor dem eigenen Institut mal wieder keine Parkplätze frei sind, müssen sich leider in Geduld üben. Bau und Fertigstellung von Parkhäusern werden noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Darüber hinaus strebt die Uni ohnehin an, den PKW-Verkehr am Campus zu reduzieren.
Auch für Zweiräder konstatiert Dr. Uwe Pfründer vom Gebäudemanagement der CAU das Problem von zu wenig Stellplätzen, wenngleich hier ausdrücklich ein Zuwachs an Radverkehr forciert wird. Ein ambitioniertes Vorhaben, denn obwohl laut Befragung von 2014 rund ein Drittel aller Studenten bereit wäre, ihr Mobilitätsverhalten zugunsten des Nutzens von Fahrrädern zu verändern, lief das bisher von der Uni geförderte CampusRad-Angebot völlig auf Kiel. Ganze 320 registrierte Nutzer soll das Projekt umfassen. Diese kommen laut Gebäudemanagement auf durchschnittlich sagenhafte zwölf Ausleihungen pro Tag! Mangels Nachfrage wird das Angebot denn auch Ende des Jahres eingestampft. Uni und Stadt bleiben davon unbeirrt und verhandeln bereits über einen Folgeanbieter. Immerhin unter der Bedingung, dass künftig in der ganzen Stadt Fahrradstationen angeboten werden, um die Nutzung lukrativer zu gestalten.
Das größte Sorgenkind ist und bleibt aber wohl weiterhin der ÖPNV. Aus jahrelanger Erfahrung weiß ich, dass zu den Stoßzeiten am Campus des öfteren drei oder mehr Busse verpasst werden, weil man einfach keinen Platz mehr in ihnen findet. Als ursächlich dafür sieht Olaf Salomon von der Eigenbetrieb Beteiligungen Kiel (EBK), die für Planung und Bedienungsmaßstäbe des ÖPNV zuständig ist, die Angleichung der Stundenpläne im Rahmen der Bologna-Reformen: „Durch das Blocken der Lehrveranstaltungen wollen jetzt sehr viele Studenten zur gleichen Zeit die Busse nutzen. Das hat sich früher besser verteilt.“ Tatsächlich kommt es regelmäßig zu Rückstaus an den Haltestellen an der Uni. Das ist besonders Mittags und Nachmittags zum Ende von Lehrveranstaltungen der Fall, wenn gleich drei Busse zu selben Zeit eine Haltestelle anfahren. Ein Ausdehnen der Stundenpläne mit Angeboten vor allem am frühen Morgen könnte den ÖPNV laut EBK entlasten. Ob dieser Vorschlag bei der Studierendenschaft wohl auf Gegenliebe oder nur auf Humor stößt?
Maßnahmenkatalog
Und sonst so? Mit einer Erhöhung der Taktungen, dem Einsatz neuer Linien (50 oder 60S) oder dem Einsatz zusätzlicher Gelenkbusse (Linie 6) wurden in den letzten Jahren mehrere Maßnahmen zur Linderung des ÖPNV-Problems umgesetzt. Bekannt dürfte ferner die Aktion „Mit dem Zweiten fährt man besser“ sein, die in Zusammenarbeit mit dem AStA umgesetzt wurde. Gleichwohl ist dies sowohl laut Gebäudemanagement, als auch EBK und KVG nur eine temporäre Lösung, da die Beförderung von Personen allein mit Bussen langfristig wohl nicht ausreichen werde. In Zukunft müssen alternative Wege und Konzepte gefunden werden, um bessere und nachhaltige Kapazitäten zu schaffen. „Nachgedacht wird seitens der Stadt beispielsweise über die Einführung zusätzlicher Busspuren auf zentralen Straßen“, so Salomon. Auch eine Straßenbahn ist wiederkehrender Bestandteil der Überlegungen. Konkrete Pläne zum innerstädtischen Schienenverkehr gibt es jedoch nicht – zu hohe Kosten und politisch zu heikel. Doppelgelenkbusse böten eine höhere Kapazität, stellen allerdings auch zusätzliche Anforderungen an die Straßeninfrastruktur.
Realistische Aussicht auf Erfolg könnte hingegen die Velo-Route haben, die bis Ende des nächsten Jahres fertiggestellt werden soll und zum Großteil von der Stadt Kiel finanziert wird. Vom CITTI-Park bis zum Botanischen Garten wäre die Uni dann mit dem Rad bequem zu erreichen – in unter 15 Minuten. Mit dem Bus dauert das definitiv länger.
Neue Parkhäuser in Uni-Nähe befinden sich derzeit noch in Finanzierungsgesprächen mit dem Land Schleswig-Holstein. Die Multifunktionsgebäude sollen gleich mehrere Funktionen auf einmal bereitstellen. Neben Stellplätzen für PKW und Fahrräder sollen auch E-Ladestationen und E-Bikes zugänglich sein. Realistisch scheint in nächster Zeit aber nur ein Gebäude auf dem Parkplatz hinter der Mensa I.
Es führt mittelfristig einfach kein Weg an einer Stadrbahn vorbei. Das Bussystem ist ausgereizt und wäre noch teurer, wenn man es nach oben drehen würde. Leider ist die Frage so ideologsch aufgeladen in Kiel.