„Hochverehrter Herr Prof. Dr. phil“ Nein, hochverehrt klingt irgendwie aufgesetzt. Ich bin doch kein Goethe. Vielleicht doch lieber „Lieber Herr Prof. Dr. phil,“ Nee, ich kenne ihn doch gar nicht richtig. Sehr geehrter Herr Prof. Dr. phil. Ja, das klingt doch gut. Ich schaue lieber noch einmal auf seiner Homepage nach, ob ich auch alle Titel aufgezählt habe. Vielleicht hat er ja noch einen weiteren Doktortitel, den ich vergessen habe? Oder gar einen wichtigen Ehrendoktor? Erwartet er überhaupt, dass ich alle Titel aufzähle?
So, jetzt noch einmal alle Sätze durchgehen. Hier setze ich vielleicht doch lieber noch ein Fremdwort ein, damit der Dozent sieht, dass ich mich gewählt ausdrücken kann. Habe ich auch keine Kommata vergessen? So, die E-Mail steht. Ah, es ist ja schon fast 1 Uhr nachts. Ich schicke die E-Mail doch lieber morgen früh ab – nachher denkt er noch, ich sei total unprofessionell.
So oder so ähnlich geht es viele Studierenden wenn sie eine E-Mail an ihre Dozenten verfassen müssen. Der oben aufgeführte innere Monolog stellt dar, welche Schwierigkeiten das Schreiben von E-Mails mit sich bringen kann. In der Regel möchten sich die meisten Studierenden vor ihren Dozierenden ‚gut präsentieren‘. Doch welche Kriterien spielen bei der Bewertung einer E-Mail eine wichtige Rolle? Worauf achten Dozierende besonders stark und was fällt ihnen gar nicht auf? Um diese Fragen zu beantworten, habe ich eine kurze Umfrage zum Thema „Wie schreibe ich eine gute E-Mail an meine Dozierenden“ durchgeführt. Ich habe dazu 40 Studierende anonym befragt. Die Studierenden haben aufgeführt, wie oft sie ihre Sätze in einer E-Mail umformulieren, bis sie den perfekten Satz gefunden haben; ob sie schon einmal eine E-Mail gelöscht oder gar nicht erst verfasst haben, weil sie nicht wussten, wie sie diese formulieren sollten; ob sie denken, dass sich Dozierende anhand ihrer E-Mail ein Bild von ihnen machen und, welche die besten Anrede- und Verabschiedungsformeln sind. Zuletzt haben die Studierenden noch ihre eigene Fragen zum Thema „E-Mailschreiben an Dozierende“ formuliert. Die wichtigsten zehn Fragen habe ich mir notiert und diese von drei Dozierenden der Philosophischen Fakultät beantworten lassen. Ich habe zunächst Markus Hundt befragt. Herr Hundt ist Professor für Deutsche Sprachwissenschaften. Die zweite befragte Person war Frau Dr. von der Lühe. Sie ist Akademische Oberrätin am Philosophischen Seminar. Als letztes habe ich noch Frau Christensen interviewt – Dozentin für Neuere Deutsche Literaturwissenschaften und Medien.
Sie bekommen sicherlich täglich E-Mails von vielen Studierenden. Würden Sie diese E-Mails eher als kurz und bündig bezeichnen, oder sind diese so gut wie immer lang?
Während Herr Hundt und Frau von der Lühe angeben, dass sie in der Regel eher kurze und bündige E-Mails erhalten, bezeichnet Frau Christensen ihre erhaltenen E-Mails als „etwas ausführlich, aber nicht ausufernd.“ Herr Hundt macht darauf aufmerksam, dass die wirklich langen E-Mails eine Ausnahme darstellen, wenn die Studierende Fragen haben, die eher komplex sind.
26 von 40 Studierenden geben an, dass sie ihre Sätze drei bis vier Mal umformulieren. Achten Sie überhaupt auf die Ausdrucksweise der Studierenden oder wäre es für Sie auch in Ordnung, wenn diese sich umgangssprachlich ausdrücken? Fallen Rechtschreibfehler oder Emojis negativ auf?
Alle Dozierenden betonen, dass sie großen Wert auf Orthographie und Interpunktion legen. Frau von der Lühe weist darauf hin, dass kleinere orthographische Fehler nicht gleich einen negativen Eindruck des Verfassers aufkommen lassen, da sie jedem passieren können. Eine E-Mail voller – und vor allem vermeidbarer – Fehler deutet sie jedoch als einen „Hinweis für mangelnde Aufmerksamkeit“ und „Respektlosigkeit“. Falls ihr mal merkt, dass sich euer Satz nicht ganz stimmig anhört oder ihr euch bei der Kommasetzung nicht sicher seid, solltet ihr deshalb eure E-Mail vorsichtshalber Korrekturlesen lassen. In Bezug auf die Verwendung von Umgangssprache teilen die Dozierenden mit, dass sie diese nur absegnen, wenn die Studierenden ihre Dozierenden persönlich, beispielsweise aus dem Seminarkontext, kennen. Ist man mit dem Dozierenden nicht vertraut, sollte man lieber doch eine förmliche E-Mail verfassen, um Unannehmlichkeiten zu vermeiden. Ähnlich sieht es mit der Verwendung von Emojis aus: Die befragten Dozierenden haben persönlich keine Probleme mit der Verwendung von Emojis in E-Mails. Frau von der Lühe und Frau Christensen geben sogar zu, dass sie selbst welche verschicken. Herr Hundt macht jedoch darauf aufmerksam, dass andere Kollegen Emojis als „zu salopp“ empfinden könnten. Bei der Verwendung von Emojis ist es ganz wichtig, dass diese in den Kontext der E-Mails passen. Mehrere Herzchen oder Küsschen als Ausdruck für ein Dankeschön sind wohl doch etwas gewagt.
34 von 40 Studierenden vertreten die Ansicht, dass sich Dozierende anhand der E-Mails ein Bild über ihre Studierenden machen. Würden Sie dieser Aussage zustimmen?
Alle drei Dozierenden bejahen diese Frage. Herr Hundt betont, dass dies nicht nur auf Schriftstücke beschränkt ist, sondern wir uns auch im direkten Gespräch mit anderen eine Meinung bilden. Frau von der Lühe ergänzt, dass sie sich nicht nur ein Bild von der schreibenden Person macht, sondern auch von der Situation, aus der sie schreibt. Eine – für wahrscheinlich viele Studierende – erleichternde Aussage kommt von Frau Christensen: Sie sagt, dass sie sich zwar ein Bild der schreibenden Personen macht, sich jedoch nicht alle Namen merken kann. Falls ihr also mal eine peinliche E-Mail verfasst habt, ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass sich eure Dozierenden gar nicht euren Namen gemerkt haben!
Manche Dozierende haben verschiedene akademische Titel wie Prof. Dr. phil. Müssen die Studierenden alle Titel aufzählen, oder reicht „Sehr geehrter Herr“ bzw. „Sehr geehrte Frau“ aus?
Frau Christensen gibt lachend zu, dass diese Frage sie auch interessiert. Frau von der Lühe teilt mit, dass für sie gerade in einem inneruniversitären Verhältnis Titel keine Rollen spielen und es ihr völlig ausreicht, wenn man sie bei ihrem Namen anspricht. Sie fügt hinzu, dass ein ‚Moin‘ oder ‚Hallöchen‘ ohne Namen ein völliges „no-go“ sind! Auch Herr Hundt ist damit einverstanden, dass man ihn mit „Sehr geehrter Herr Hundt“ anschreibt. Er macht jedoch darauf aufmerksam, dass er es sich gut vorstellen kann, dass andere Kollegen und Kolleginnen Wert darauflegen und die Studierenden bei Unsicherheit lieber formal schreiben sollten.
Bis um wie viel Uhr ist es noch in Ordnung, Ihnen eine E-Mail zu schreiben? Wirkt beispielsweise Sonntagabend oder Freitag um 3 Uhr nachts merkwürdig auf Sie?
Die Dozierenden sind sich einig: Es gibt hinsichtlich der Uhrzeit keine Deadline für das Verschicken von E-Mails. Herr Hundt sagt sogar lachend, dass man ihm 24/7 schreiben kann, stellt daraufhin jedoch die Gegenfrage, wann man denn eine Antwort erwartet? Er fügt dem hinzu, dass Studierende nicht erwarten dürfen, dass man ihnen sofort zurückschreibt. Auch Frau Christensen erklärt, dass sie die E-Mails nur während ihrer Arbeitszeiten abruft. Eine gute Nachricht für alle nachtaktiven Studierenden: Ihr könnt beruhigt eure E-Mails spät in der Nacht abschicken und müsst nicht extra dafür euren Wecker für den nächsten Morgen stellen. Wann dürfen Studierende auch schon ausschlafen?
Ist es in Ordnung, wenn man Dozierende auch mal per WhatsApp anschreibt?
Da alle drei Dozierenden ihre Privatnummer nicht an Studierende weitergeben, erübrigt sich die Frage. Herr Hundt vermutet, dass vor allem jüngere Dozierende stärker in sozialen Medien aktiv sind. Er fügt dem hinzu, dass nichts dagegen spräche, wenn es vorher kommuniziert worden ist. Während Frau von der Lühe mitteilt, dass sie unter besonderen Umständen, wie eine Exkursion mit Studierenden, ihre Handynummer weitergeben würde, um unterwegs erreichbar zu sein, verweist Frau Christensen darauf, dass es nicht unüblich ist, dass man seinen Hilfskräften die Privatnummer gibt.
Sind Dozierende irgendwann genervt, wenn man zu oft schreibt? Merken Sie sich die Namen derjenigen, die häufig schreiben und öffnen diese E-Mails erst gar nicht oder nur ganz spät?
Alle drei Dozierenden haben angegeben, dass sie persönlich über keine Fälle berichten können, in denen ihnen Studierende zu oft geschrieben haben. Frau Christensen leitet ein, dass man die Frage differenziert beantworten muss. Wenn ihr Studierende begründet mehrfach schreiben, ist es völlig in Ordnung. Sie und Frau von der Lühe verweisen darauf, dass sie sich über E-Mails ärgern, in denen Studierende Fragen stellen, dessen Antworten sie auch auf ihren Homepages erlesen können. Falls ihr also organisatorische Fragen zu einem Seminar/einer Vorlesung habt, solltet ihr immer erst einmal einen Blick ins UNIVIS werfen, bevor ihr direkt eurem Dozierenden schreibt.
Ist es in Ordnung, wenn man in einer E-Mail seine Note erfragen möchte?
Alle drei Dozierenden geben an, dass sich Studierende ihre Noten im System abrufen. Lediglich Frau von der Lühe teilt mit, dass sie manchmal in der E-Mail eine erste Rückmeldung zum (Nicht-)Bestehen einer Prüfungsleistung gibt, damit die Studierenden „Seelenruhe“ finden, wenn sie zum Beispiel im Drittversuch sind.
Ich habe im letzten Semester ein Seminar belegt (ohne Anwesenheitspflicht) und war nur einmal anwesend. Der Dozent hat meine Leistungspunkte noch nicht eingetragen. Wie frage ich ihn, ob er sie mit einträgt, ohne dass es irgendwie unangenehm wird?
Herr Hundt schlägt vor, nicht auf das Vergehen einzugehen und möglichst defensiv zu schreiben. Man könnte höflich fragen, wann man denn mit einer Eintragung rechnen könne. Frau von der Lühe teilt mit, dass sie diejenigen „sehr wohl auf dem Schirm hat“, die nur einmal da gewesen sind. Sie fügt dem hinzu, dass man einfach abwarten soll, wenn man schon nicht am Seminar teilgenommen hat. Frau Christensen antwortet auf die Frage, dass die Dozierenden gar nichts damit zu tun haben, weil das Prüfungsamt die Leistungspunkte einträgt.
Wann wäre es in Ordnung, seinen Dozierenden anzurufen, wenn er/sie nicht auf die E-Mail reagiert? Ist es in Ordnung, wenn man am Wochenende anruft?
Eine Empfehlung an alle Studierenden: Auch wenn ihr die Privatnummern eurer Dozierenden habt, ruft sie auf keinen Fall am Wochenende an – egal, wie wichtig eure Frage ist! Herr Hundt sagt, dass man „never ever“ am Wochenende anrufen sollte und stellt diesbezüglich einen Vergleichsfall vor: Wenn man eine Frage zur Rechnung eines Arztes hat, ruft man doch auch nicht am Wochenende an. Auch Frau von der Lühe glaubt nicht, „dass es so etwas Dringliches gibt, dass man nicht warten kann.“ Alle drei Dozierenden weisen darauf hin, dass man an Werktagen im Sekretariat anrufen kann, wenn man eine wichtige Frage hat. Herr Hundt ergänzt diesbezüglich, dass er normalerweise innerhalb von 48 Stunden antwortet. Dies kann bei anderen Kollegen jedoch komplett anders ausfallen.
Aus den Antworten der Dozierenden kann abgeleitet werden, dass wir uns beim Schreiben einer E-Mail häufig mit Fragen und Themen beschäftigen, die unseren Dozierenden gar nicht weiter auffallen, wie das Versenden einer E-Mail am späten Abend. Auch das mehrmalige Umformulieren stellt keine notwendige Bedingung dar. Solange ihr eure E-Mails fehlerfrei abschickt und nicht unbedingt umgangssprachlich schreibt, kann euch doch niemand etwas verübeln, oder? Niemand erwartet von euch, dass ihr extra Fremdwörter heraussucht, um eure E-Mail zu ‚schmücken‘ – die Hauptsache ist doch, dass eure E-Mails verständlich sind. Frau von der Lühe betont, dass es ja „gar nicht schlimm“ sei, wenn man sich mal fünf bis zehn Minuten mit einer E-Mail befasst – sie nimmt sich schließlich auch Zeit dafür. Das Schreiben von E-Mails wird jedoch dann zum Problem, wenn man sich bei den Formulierungen so unsicher ist, dass man die E-Mail löscht oder erst gar nicht verfassen möchte. Mehr als die Hälfte der Befragten geben zu, dies schon einmal gemacht zu haben. Dieses Problem kann man lösen, indem man sich fragt, wie komplex die E-Mail denn ungefähr sein wird. Möchtet ihr euch nur kurz für das Fehlen in einem Seminar entschuldigen – dann bietet sich eine E-Mail gut an, da sich diese in etwa zwei Sätzen formulieren lässt. Wenn ihr beispielsweise ein Hausarbeitsthema besprechen wollt, solltet ihr lieber doch in die Sprechstunde des Dozierenden gehen oder sie alternativ zu Zeiten ihrer Sprechstunde anrufen. Hierbei solltet ihr nicht nach dem Prinzip ‚Warum fünf Minuten telefonieren, wenn man es stundenlang über WhatsApp klären kann?‘ vorgehen – so spart ihr Zeit beim Formulieren und eure Lehrenden beim Lesen.
P.S.: Wer es genau wissen will, auch hierfür gibt es eine Norm: DIN 5008.
Falls ihr euch mal – vielleicht in einem nicht nüchternen Zustand – getraut habt, eurem Dozierenden die wirrsten Texte oder Emojis zu schicken, freuen wir uns über kleine Erfahrungsberichte und Screenshots!
Liebe Frau Muhammad,
ihre Ausführungen finde ich sehr interessant.
Wir suchen noch eine Lehrkraft für DaZ für junge geflohene Afghanen. Wäre das etwas für Sie?
Wenn ja, würden wir uns sehr über eine Kontaktaufnahme freuen.
Mit freundlichem Gruß
Doris Apelt
inab – Ausbildungs- und Beschäftigungsgesellschaft des bfw mbH
(www.inab-jugend.de)