Seit ich vor nunmehr über sechs Jahren mein Studium begonnen habe, begleitet mich eines wie das Semesterticket im Geldbeutel: Die Arbeit in der Gastronomie. Als einer der vielen Fälle, die durch das Bafög-Raster fallen, obwohl sich die finanziellen Möglichkeiten der Eltern in Grenzen halten, habe ich mich schnell damit arrangiert, Vorlesungen, Hausarbeiten und Klausuren mit einen Nebenjob unter einen Hut zu bringen. Für mich stellte das nie ein Problem dar. Sicher, hätte ich mir meinen Lebensunterhalt nicht größtenteils selbst verdienen müssen, wäre im Studium vielleicht einiges schneller oder glatter gelaufen – viele wertvolle Erfahrungen hätte ich dann aber nie sammeln dürfen.
Vielen Studierenden geht es wie mir – das Arbeiten gehört zum Studium einfach dazu. Im besten Fall hat der Nebenjob natürlich etwas mit dem Studienfach zu tun. So lässt sich ganz nebenbei die nötige Praxiserfahrung sammeln, die nach dem Abschluss einen entspannten Start ins Berufsleben eröffnen kann. Doch nicht immer ist das möglich: Beliebte Werksstudentenstellen sind häufig nur spärlich vorhanden und schnell besetzt, der Bedarf schwankt von Studienort zu Studienort und nicht jedes Fach eröffnet unendliche Möglichkeiten praktischer Anwendungsbereiche.
Die Wahl vieler Studierender fällt daher häufig – mehr oder weniger gezwungenermaßen – auf einen Job in der Gastronomie, im Einzelhandel oder im Veranstaltungssektor. Günstige Arbeitskraft wird hier immer benötigt, Dienstpläne sind häufig flexibel und die Einarbeitungszeiten meist kurz. Auch für mich führte der Weg über eine Verkaufsstelle im Baumarkt, Theken- und Servicearbeiten in diversen Kneipen, Diskotheken und Veranstaltungsorten sowie die Arbeit in der Systemgastronomie und Hotellerie hin zu dem Café, in dem ich zurzeit arbeite. Je näher der Masterabschluss dabei rückte, desto häufiger erntete ich mitleidige Blicke, dass ich „nur“ solch einen Job ergattert hätte, oder erhielt Ratschläge mir besser eine „seriösere“ Stelle zu suchen.
Dabei habe ich bei all diesen Tätigkeiten viel mehr gelernt, als ich es mir je hätte vorstellen können. Einblicke in so viele verschiedene Arbeitsfelder erhalten zu haben, erweitert den eigenen Horizont. Nicht im Traum würde mir einfallen, mich bei der Bedienung im sichtlich gut besuchten Restaurant über eine lange Wartezeit zu beschweren, in der Schlange an der Kasse lautstark zu nörgeln, weil es mal wieder etwas länger dauert, oder den Barkeeper nach seiner zehnstündigen Schicht hinter der Theke mit Sonderwünschen zu belästigen. Weil ich eben selbst schon in ihren Schuhen steckte und mich über jeden Gast oder Kunden gefreut hätte, der mir mit Geduld und Respekt, einem Lächeln und ein bisschen Verständnis begegnet wäre.
Auch wie ich selbst auf andere Menschen zugehe, hat sich durch meine Nebenjobs verändert. Egal ob es der erste Tag im neuen Arbeitsbereich ist, eine neue Kollegin eingearbeitet werden muss, oder ein verärgerter Gast beruhigt werden soll, versetzen mich diese Situationen nur noch selten in Unruhe. Nur allzu gut kann ich mich an eine Zeit erinnern, in der solche kleinen und größeren Herausforderungen für mich Stress bedeuteten und ich mir auch im Nachhinein auch noch tagelang den Kopf zerbrach. Heute ist das anders und davon profitiere ich vor allem auch in Vorstellungsgesprächen und Praktika, in denen ich meinem Gegenüber nun offen gegenübertreten und mich schnell einarbeiten kann.
Der Dienstleistungssektor kennt kein Wochenende und keinen Feierabend um 17 Uhr. Für die Beschäftigten bedeutet das vor allem, dass eben gearbeitet wird, solange gekauft, getrunken und gefeiert werden will. Das kann den Biorhythmus schon mal ganz schön durcheinanderbringen. Was damals einfach anstrengend schien, lässt mich heute konzentriert sein, egal ob es helllichter Tag oder, wenn es sein muss, finstere Nacht ist.
Noch etwas habe ich gelernt: Unwichtige Dinge auszublenden und nicht den Kopf zu verlieren, auch wenn noch so viele Dinge gleichzeitig schief gehen. Egal ob ohrenbetäubender Techno, unerträglich entspannende Lounge-Musik oder ein Wirrwarr aus Stimmen, Wünschen, Beschwerden und Vertröstungen – so lange man nicht die Ruhe verliert und im Blick behält, was zu tun ist, wird alles gut. Und genau das wende ich seit Jahren auch auf den täglichen Studienwahnsinn an. Es erlaubt mir, wenn es darauf ankommt, genau eines zu sein: erstaunlich entspannt.
Herzlichen Glückwunsch zu diesem ersten, wirklich gut gelungenen CollegeBlog-Artikel. Durchaus hilft der Kontakt mit den vermeintlich „einfachen“ Tätigkeiten, das Studium zu schätzen und auch besser bewältigen zu können, da stimme ich dir zu. Viel Erfolg weiterhin beim Schreiben! 🙂