Mitte April verkündete der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der CAU Kiel eine Erhöhung des Semesterbeitrages an die Studierendenschaft. Pro Semester sollen künftig statt 10 Euro 12,50 Euro pro Kopf bezahlt werden. Zunächst solle diese Regelung für zwei Semester gelten. Das Konzept wurde in einem speziell einberufenen Finanzausschuss des Studierendenparlaments (StuPa) einstimmig verabschiedet. Aber was genau wird von dem Beitrag überhaupt finanziert? Und wie ist es zu dem neuen Beschluss gekommen? Über diese und andere Fragen habe ich mich mit Julian Schüngel (AStA-Vorstand), Mike Brach (Vorsitzender RCDS Kiel) sowie Carolin Kaubke (Vorsitzende Campus Grüne) ausgetauscht.
Am Anfang eines jeden Semester erwartet Studierende jedes Mal eine große Überraschung: Was, schon wieder Zeit für die Semestergebühren? Der Betrag von 120,50 Euro wird schnell überwiesen in der Hoffnung, dass er noch rechtzeitig eingeht, um einer Zwangsexmatrikulation zu entgehen.
Nun müssen sich die Studierenden an einen neuen Betrag gewöhnen. Um 2,50 Euro soll der Beitrag an die Studierendenschaft erhöht werden. Dieser ist, neben dem Semesterticket und dem Beitrag an das Studierendenwerk, Teil der Semestergebühren. Bei derzeit 26.000 Studierenden werden also 65.000 Euro mehr als vorher in die Kassen der Studierendenschaft gespült, die der AStA verwaltet. Die Gelder werden dabei für verschiedene Dinge ausgegeben. Eine nicht repräsentative Onlinebefragung durch den Collegeblog ergab, dass sich von 95 Befragten gerade einmal 64 Prozent bewusst waren, wofür der Beitrag an die Studierendenschaft überhaupt verwendet wird. Der Rest gab an, darüber keine Kenntnis zu haben.
Wofür wird das Geld ausgegeben?
Allen voran ist das kostenlose Beratungsangebot zu nennen, welches der AStA über die Jahre hinweg auf die Beine gestellt hat. Studierende können sich beispielweise in Rechtsfragen beraten lassen und müssen kein Geld für einen Anwalt ausgeben. Außerdem gibt es Beratungen zu den Themen Bafög, Studium mit Kindern oder körperlichen Beeinträchtigungen oder die Promotionsberatung. Dabei arbeitet der AStA mit anderen Stellen zusammen. Dies ist zum Beispiel bei der Beratung für Betroffene rechter Gewalt der Fall, die in Zusammenarbeit dem Verein ZeBrA e.v. abläuft. Außerdem werden Veranstaltungen wie das Campus Festival oder die Queere Themenwoche organisiert. Und schließlich kommen die Gelder an die Fachschaften, für studentische Projekte und die Aufwandsentschädigungen für die Personen, die sich beim AStA engagieren, hinzu. „Mittlerweile haben wir eine Vollauslastung des Beratungsangebotes, worauf wir sehr stolz sind, weil das ein Qualitätsmerkmal ist. Es ist sehr außergewöhnlich, dass Studierende für diesen Betrag so gute Serviceleistungen bekommen. Als Solidargemeinschaft finden wir im AStA es wichtig, dass wir Leute unterstützen, die vielleicht nicht so viel Geld haben“, fasst Julian Schüngel die Situation zusammen.
Warum war die Erhöhung überhaupt notwendig?
„Es wurde über die letzten Jahre ein relativ großes strukturelles Defizit aufgebaut. Hätte man nicht den Beitrag erhöht, wäre es dazu gekommen, dass die Studierendenschaft zahlungsunfähig geworden wäre. Das hätte bedeutet, dass alle Veranstaltungen und Beratungsangebote, die wirklich sehr vielfältig sind, ersatzlos weggefallen wären“, so Carolin Kaubke, die an der CAU Geographie studiert und den Vorsitz der Campus Grünen innehat. Mike Brach, Vorsitzender des RCDS (Ring Christlich-Demokratischer Studenten) sieht das ein wenig anders. Er ordnet vor allem die hohen Personalkosten für die rund 50 Leute, die im AStA beschäftigt werden, als Problem ein. „Bereits über Jahre hinweg stiegen die Ausgaben und das Defizit des AStA. Doch anstatt rechtzeitig auf die Kritik der Opposition, es müssten Stellen abgebaut werden, zu reagieren, hat der AStA hierauf nicht nur zu spät, sondern auch unzureichend reagiert. Wäre langfristig geplant worden, hätte eine Erhöhung verhindert werden können.“
Ist der AStA politisch neutrale genug?
Trotz dieser unterschiedlichen Sichtweisen haben sich die Fraktionen im Finanzausschuss einstimmig auf einen Konsens geeinigt. Dennoch gibt es weiterhin einige Streitpunkte, vor allem was die politische Ausrichtung der durch den AStA bereitgestellten Angebote betrifft. „Der AStA scheint sich zumeist mit der Organisation ideologisch aufgeladener Veranstaltungen zu beschäftigen, die nicht nur ohne tatsächliche Relevanz für die Studentenschaft sind, sondern mit denen ein Großteil der Studentenschaft sich auch nicht identifizieren kann,“ gibt Brach an. „Dazu zählen Veranstaltungen zu Karl Marx, feministischen Pornos, Kapitalismuskritik und 4000 Euro für Queere Themenwochen und Queere Semesterpartys.“ Die vom RCDS vorgeschlagenen Einsparungsmaßnahmen sehen unter anderem die vollständige Abschaffung dieser Veranstaltungen vor. Die online befragten Studierenden sehen das anders: Rund 62 % der 87 Befragten geben an, die Veranstaltungen und Beratungen, die mit dem Beitrag finanziert werden, sinnvoll zu finden.
Gegen die Kritik des RCDS wehrt sich der AStA. „Natürlich schwingt da eine politische Couleur mit, aber die Opposition würde es genauso machen, nur eben mit anderen Themen. Wir als AStA sind die politische Interessenvertretung der Studierendenschaft. Da kann man nicht neutral handeln, denn jedes Handeln ist politisch,“ so Schüngel. Und Kaubke ergänzt: „Die Leute im AStA haben eine politische Einstellung und diese wird in Teilen in den Themen repräsentiert. Ich sehe es auch so, dass manche Themen im Vergleich zu anderen sehr stark behandelt werden. Aber man muss auch sagen, dass dies an den Leuten liegt, die die Referate besetzen. Manche machen eine Bombenarbeit, eine öffentlichkeitswirksame Arbeit und werden dadurch auch sehr wahrgenommen.“ Sie unterstreicht die Rolle des AStA als politisches Gremium, welches auch in Verhandlungen auftritt und schon aus diesem Grund keine politische Neutralität wahren kann und sollte.
Sowohl Schüngel als auch Kaubke wünschen sich, dass die Opposition oder andere politische Hochschulgruppen sich inhaltlich aktiver einbringen. „Wenn andere politische Hochschulgruppen sich mehr einbringen würden, was durchaus möglich ist, würden auch andere Themen repräsentiert werden. Ich würde mir da von den Kritikern wünschen, aktiv zu werden und nicht nur darüber zu reden,“ meint letztere.
Zusammenarbeit zwischen den Fraktionen soll gestärkt werden
Obwohl es letztlich zu einem Konsens kam, war die gemeinsame Zusammenarbeit im Finanzausschuss anfangs schwierig. Dies hatte zum Teil strukturelle Gründe. „Die Rahmenbedingungen der Verhandlungen waren unangemessen. Über einen Zeitraum von zwei Monaten hinaus wurde trotz mehrfacher Erinnerung keine Einladung zur Ausschusssitzung verschickt. Vorherige Absprachen wie eine Terminsetzung wurden ebenso ignoriert, wie die per Doodle-Umfrage ermittelten bestmöglichen Sitzungszeitpunkte,“ klagt Brach an. Ebenso hätten wichtige Unterlagen gefehlt, um die finanziellen Angaben des AStA prüfen zu können. „Der Sonderausschuss wurde gezielt verschleppt, um der Opposition keine Möglichkeit zu geben, Einsparungen vorzunehmen“, vermutet der 27 Jahre alte Geschichtsstudent.
Kaubke wehrt sich gegen diesen Vorwurf: „Das ist definitiv nicht so gewesen. Der Haushalt muss von allen Fraktionen getragen werden, sonst kommt er nicht zustande und deswegen ist die Beteiligung aller politischen Hochschulgruppen, die auch im StuPa vertreten sind, wichtig und notwendig.“ Als Problem nennt sie die mangelnde Einbringung bestimmter Gruppen. „Die Einsparungsvorschläge, die von dieser Seite kamen, wurden niemals irgendwo vorgelegt, weder im StuPa noch im Ausschuss. Es wird immer propagiert, dass noch 100 000 Euro einzusparen sein, aber ein Konzept wurde nicht eingebracht. Das ist nicht produktiv.“ Schüngel berichtet von einem Vorschlag, der nicht praktikabel sei. „Es gab einen sehr konkreten Vorschlag des RCDS. Dieser war, unser Beratungsangebot an das Studierendenwerk auszulagern, damit uns keine größeren Kosten entstehen. Wenn wir allerdings die Kosten einsparen, tauchen sie im Beitrag an das Studierendenwerk wieder auf.“ Somit wären die Kosten nur ausgelagert und würden schlussendlich doch wieder an die Studierenden zurückfallen. „Bei den ganzen Kritiken, die wir bekommen, frage ich mich, ob die Leute einen AStA überhaupt stellen wollen. Sollten sie das nämlich tun und ihre gesamten Sparmaßnahmen jetzt durchführen, könnten sie nichts mehr machen. Das schadet dann wiederum der Studierendenschaft,“ so sein Fazit. Der AStA wolle den Campus durch seine aktuellen Projekte zu einem lebenswerteren Ort machen.
Trotzdem sollen in den nächsten Semestern Einsparungen vorgenommen werden, die vor allem eine Reduzierung der Personalstellen im AStA betreffen. „Unser Ziel ist es, die Studierenden nicht über die Maße zu belasten. Deswegen wollen wir auch nicht, dass die Erhöhung für immer weiterläuft, ohne dass etwas passiert. Wir sehen ganz klar, dass gespart werden muss,“ sagt Kaubke. Einen Wunsch hat die Geographiestudentin: Eine gute und verstärkte Zusammenarbeit der verschiedenen Hochschulgruppen. „Es artet oft schnell in Grabenkämpfe der politischen Lager aus. Das finde ich unangebracht. Es geht nicht nur darum, die Leute im AStA abzustrafen, sondern das geht auf die ganze Studierendenschaft zurück, von der wir alle ein Teil sind.“ Kaubke appelliert an alle Beteiligten, sich darauf zu besinnen, auch wenn die politischen Lager einen trennen.
Somit zeigt sich an der Erhöhung des Beitrages an die Studierendenschaft, dass sich an bestimmten Themen die Geister scheiden und dass dabei oft politische Einstellungen der Stein des Anstoßes sind. Auch die befragten Studierenden waren sich in dieser Sache nicht einig: Mit einer knappen Mehrheit von 56% hatten die Befürworter der Erhöhung die Nase knapp vorn. 44% der 87 Befragten sprachen sich gegen die Beitragserhöhung aus.