Endlich Master! Und jetzt?

Wie die meisten Studierenden hatte ich während meiner Zeit im Hörsaal, vor dem Schreibtisch und in der Bibliothek ein festes Ziel vor Augen: Den Abschluss schaffen und endlich für meine Arbeit belohnt werden. Fast plötzlich kommt der Tag, an dem man es dann tatsächlich geschafft hat. Der Master ist bestanden und das Zeugnis schon fast gedruckt. Und statt einfach nur erleichtert zu sein, drängt sich mir die Frage auf: Was nun?

Ehrlicherweise muss ich zugeben: Ich bewundere sie schon sehr. Diejenigen, die mit dem Abschluss gleich einen festen Plan vor Augen haben, vielleicht den ersten Job schon in trockenen Tüchern. Sie haben nützliche Kontakte geknüpft, wussten was sie wollten, waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort und hatten dazu möglicherweise eine Prise Glück. Diesen jungen Menschen gönne ich ihren Erfolg von Herzen. Doch ich selbst bin keiner von ihnen.

Welchen beruflichen Weg ich einschlagen möchte, kann ich mir gut vorstellen. Nicht umsonst entschloss ich mich nach dem Bachelor noch einmal für einen fachlichen Schwenker, der mir neue Möglichkeiten aufzeigte. Doch zu einem Ziel führt bekanntlich nicht nur ein Weg. Und bislang scheint die Vielzahl an Optionen zuweilen fast schon lähmend. Was, wenn ich die falsche Entscheidung treffe? Wann kommt der Punkt, an dem es zu spät ist, Fehler zu korrigieren? Gibt es so etwas wie den richtigen Moment, um an Familienplanung zu denken? Und muss ich tatsächlich heute entscheiden, wie ich den Rest meines Lebens verbringen möchte.

Die erhoffte Freiheit wird mehr und mehr zur Last. Vergünstigungen, denen man sich als Student kaum bewusst war, fallen weg. Versicherungen werden teurer. Unbezahlte Praktika sind fast ein Ding der Unmöglichkeit ohne finanzielle Rücklangen. Aus meiner Familie höre ich häufig: „Du findest doch sicher locker einen Job, schließlich hast du ja deinen Master gemacht“. Außer mir hat niemand in der Familie studiert, die Erwartungen sind hoch.

„Auf seinen Lorbeeren soll man sich nicht ausruhen, aber einen kleinen Moment darf man sicher auf ihnen verweilen.“

In meinem Bekanntenkreis geht es vielen neuen oder zukünftigen AbsolventInnen ähnlich. Glücklicherweise, möchte ich fast sagen, denn so weiß ich, dass ich mit meinen Sorgen nicht allein bin. Und gemeinsam schöpfen wir Optimismus aus der Erkenntnis: Man sollte sich selbst viel weniger unter Druck setzen. Wir haben etwas geschafft, auf das man stolz sein kann. Auf seinen Lorbeeren soll man sich nicht ausruhen, besagt ein Sprichwort. Aber einen kleinen Moment darf man sicher auf ihnen verweilen und sei es nur, um die eigenen Gedanken zu ordnen.

Auch ich werde versuchen, nach dem Abschluss weiterhin mit offenen Augen durch mein Leben zu gehen. So viele Erfahrungen wie möglich zu sammeln und die eigene Perspektive ständig zu erweitern. Für mich heißt das im Alltag, mich auf die Stelle, die einfach traumhaft klingt zu bewerben, auch wenn der Anforderungskatalog an Utopie grenzt. Praktika zu machen, wo es finanziell möglich ist und sich dabei nicht entmutigen zu lassen, auch wenn einmal nicht das erfüllt wird, was man sich gewünscht hat. Vielleicht sogar diese eine Reise zu machen, von der ich schon ewig träume, auch wenn ich mein Geld vernünftiger investieren könnte. Mich glücklich zu schätzen, überhaupt wählen zu dürfen, wie meine Zukunft aussehen soll. Und dabei eben nicht zu vergessen, dass jeder neue Lebensabschnitt neue Chancen bietet. Ich freue mich, auf das was da kommt – auch auf das, was ich noch gar nicht kommen sehen kann.

2 Gedanken zu „Endlich Master! Und jetzt?

  1. Nelli

    Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, nun beginnst Du wieder von vorne….aber steigst sehr schnell auf.

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  2. Christine Marquardt

    Liebe Frau Schepmann,
    Ihr Beitrag beschreibt sehr gut, was in allen Jungakademikern heute und auch früher vor sich geht. Ich kenne das auch sehr sehr gut. Heute empfehle ich jedem Absolventen die Augen nach außen offen zu halten, so wie Sie es beschreiben. Hören Sie aber auch gründlich in sich hinein. Was fällt mir in meinem Fach (und darüber hinaus) leicht? Das ist übrigens garnicht so leicht herauszufinden. Wenn ich mein Leben vom Alter rückwärts denke, was will ich dann von mir sagen können? Sich alleine die Fragen zu beantworten führt einem häufig nicht über die eigenen Denk – Grenzen hinweg, ein Coaching kann in diesem Hinblick sehr hilfreich sein.
    Natürlich gehört auch ein Quantum Mut und Glück in die eigene Zukunft. Vieles regelt sich dann auch einfach mal so.
    Ich wünsche Ihnen einen guten Weitblick, ein ernsthaftes In – sich – hinein – hören, Mut und eine ordentliche Portion Glück.

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