Abitur in der Tasche und nach 12 Jahren Schulbank drücken endlich am Ziel. Das fühlt sich so gut an, so groß und so erwachsen. Doch die nächste Herausforderung klopft schon wieder an die Tür. Studieren bedeutet wieder neu anzufangen als Erst-Semester. Oberstufenschüler sein hat sich da irgendwie sicherer angefühlt. Aber wenn es das Studium sein soll, dann muss dieser Schritt sein. Also auf zum Campus und sich auf all die Veränderungen einlassen. Student sein klingt jetzt wirklich so richtig erwachsen. Ja, es klingt vielleicht erwachsen, aber die Wahrheit sieht meistens etwas anders aus. Du wirst ganz schnell merken, dass die Veränderungen nur halb so groß sind, wie du befürchtest. Die Bücher werden teurer, der Kaffee essentieller, aber ansonsten sind es im Wesentlichen die Feinheiten, die das Uni-Leben vom Schulalltag unterscheiden.
Studieren bedeutet weniger Verpflichtungen.
Ja und Nein. Die eine oder andere Verpflichtung hast du schon. Was du aber wissen solltest: Du hast an der Uni keine Ordnungsdienste zu erbringen. Wenn dir also jemand sagt, du hättest Tafeldienst, dann glaub ihm nicht. An der Uni hat niemand Tafeldienst. Es werden auch keine Stühle hochgestellt. Und wenn du es wagst, den Dozenten zu fragen, ob du kurz auf die Toilette gehen darfst, dann stell dich schon mal auf Gelächter ein. Am Campus bist du weitgehend selbstbestimmt. Du kannst kommen und gehen, wann du magst. Ja, das ist tatsächlich so. Was im Vergleich zum Schulalltag noch paradiesisch klingt, kann dir allerdings auch zum Verhängnis werden. Ab und zu mal den ersten Block ausfallen lassen, um auszuschlafen ist schön und gut. Aber es wird sich niemand darum sorgen, ob du den Stoff aufholst. Dafür bist du allein verantwortlich. Du kannst dich nicht wie früher in der Schule melden mit der Ausrede „Ich war letzte Woche nicht da“. Deine Dozenten wird das nicht interessieren. Also übertreib es besser nicht mit dem Ausschlafen.
Studieren bedeutet anonymer sein.
Selbst wenn du an einer großen Schule warst, wirst du es gewöhnt sein, dass deine Lehrer deinen Namen kannten. Am Campus hört das auf. Selbst an einer kleinen Hochschule ist es sehr unüblich, dass Dozenten deinen Namen kennen. Du bist jetzt deine Matrikelnummer. Das mag im ersten Moment klingen wie in einer Gefängnisserie. Nach mehreren Semestern, mehreren Seminaren, in denen du in kleineren Gruppen arbeitest, kennen vielleicht die Dozenten mit dem guten Gedächtnis deinen Namen. Aber wenn nicht, dann akzeptier‘ das. Gewöhn‘ dich daran, bei jedem Anliegen egal ob in E-Mails oder beim Prüfungsamt deinen Vorstellungstext inklusive Name, Matrikelnummer, Studiengang und Semester abzuspulen. Gewöhn‘ dich auch daran, dass keine Anwesenheit abgefragt wird. Wenn du mal fehlst, dann wird es hoffentlich deinen Freunden auffallen, dem Dozenten aber ganz sicher nicht. Dem Dozenten ist es auch nicht wichtig, ob du da bist. Daher brauchst du auch morgens nicht im Sekretariat deines Fachbereichs anrufen, um dich abzumelden. Das ist gut gemeint, aber lass es lieber sein.
Studieren bedeutet selbstständig sein.
Als Student bist du für dich selbst verantwortlich. Du musst dafür sorgen, dass du mit dem Lernstoff zurechtkommst. Es ist deine Verantwortung, welche Vorlesungen du besuchst und welche du ausfallen lässt. Du kannst selbst entscheiden, ob du die Hausarbeit in drei Wochen oder in der letzten Nacht vor der Abgabe schreibst. Du entscheidest auch, bei wie viel Grad du deine Wäsche wäschst, aber das ist noch ein ganz anderes Thema. Du allein trägst auch die Verantwortung für deine Entscheidungen. Wenn du den Lernstoff nicht bis zur Klausur schaffst oder die Hausarbeit nicht fertig wird, dann ist das allein dein Problem. Und wenn deine weiße Wäsche jetzt rosa ist, dann ist das auch deine Schuld. Ja, Verantwortung tragen kann hart sein. Das wirst du lernen müssen. Deine Wäsche ist vielleicht nicht mehr zu retten, aber für Klausuren und Hausarbeiten hast du immer einen Zweitversuch. Also bitte versuch gar nicht erst durch einen tränenreichen Auftritt bei deinem Dozenten Mitgefühl zu erregen, sondern lern‘ einfach daraus und mach’s im zweiten Versuch besser.
Studieren bedeutet neue Leute kennen lernen.
Wahrscheinlich wirst du nicht mit deinen besten Freunden die gleiche Uni besuchen. Also heißt das, dass du neue Leute kennen lernen musst. In der Schule war es noch so, dass alle Schüler deiner Klasse das gleiche Alter und meistens auch einen ähnlichen Erfahrungsschatz hatten. An der Uni kann das ganz anders sein, denn hier sind deine Kommilitonen auch mal zehn Jahre älter als du. Wenn man an ganz unterschiedlichen Punkten im Leben steht, ist es manchmal schwieriger gleiche Interessen zu finden. Daher sei nicht allzu überrascht, wenn nicht jeder mit dir über deine Abi-Note sprechen möchte. Vielleicht solltest du auch darüber nachdenken, ob der „Abi 2018“ Aufkleber auf deinem Auto wirklich nötig ist. So hart es auch klingt, an der Uni hat Jeder Abitur gemacht, daher ist es sehr schwer damit noch jemanden zu beeindrucken. Es interessiert auch nicht zwangsläufig jeden deiner Mitstudenten, was du in Australien erlebt hast. Das war sicher eine spannende Erfahrung. Aber jeden zweiten Satz mit „Also damals in Australien …“ anzufangen, solltest du lieber vermeiden.
Studieren bedeutet erwachsen werden.
Ja, vielleicht kann man das doch so sagen. Im ersten Semester wirkt alles noch so groß, so neu und potenziell unheimlich. Die anderen Studenten stöhnen auf, wenn du dem Dozenten zwei Minuten vor dem Ende der Vorlesung noch eine Frage stellst. An der Schule hast du das vielleicht anders gelernt, aber glaub‘ mir: An der Uni gibt es sehr wohl dumme Fragen. Deine Kommilitonen verdrehen die Augen, wenn der Bus wieder mal nicht losfährt, weil du immer noch nicht begriffen hast, wie das mit den Lichtschranken funktioniert. All das klingt jetzt vielleicht etwas unbehaglich. Aber in ein paar Monaten wirst du dich an alles gewöhnt haben. An den Erfahrungen wirst du wachsen. In einem halben Jahr bist du schon im zweiten Semester und spätestens, wenn der neue Jahrgang Erst-Semester auf dem Campus ankommt, wirst du über die gleichen Dinge lachen und an den gleichen Stellen die Augen verdrehen. Bis dahin: Lass dich nicht unterkriegen und genieße es, Student zu sein.