Wenn Plan A nicht aufgeht

„Die Zahl der Studienabbrecher steigt an“, „Massenphänomen Studienabbruch“, „Fast jeder Dritte bricht sein Studium ab“ – so titeln verschiedene Zeitungen seit Jahren. Die Quoten der Studienabbrecher erhöhen sich sogar jährlich. Zahlen und Statistiken, die all jene von uns beruhigen sollten, die an ihrem Studium zweifeln und mit dem Gedanken spielen, es abzubrechen. Tja, mich haben sie damals nicht beruhigt.

„Und was kann man damit später mal machen?“

Heute vor vier Jahren, Weihnachten 2014, zuhause bei meiner Familie, im dritten Semester meines ersten Studiums. Ihr werdet es sicher kennen: Weihnachten inklusive familiärem Zusammensein ist immer auch die Zeit von Fragen wie „Und wie läuft dein Studium?“, „Wie lange dauert’s denn noch?“, „Und was willst du damit später mal machen?“. Diese Fragen machen auch nach dem dritten Mal keinen Spaß. In diesen Momenten habe ich damals immer wieder gemerkt, dass ich absolut kein Interesse daran hatte, über mein Studium zu berichten. Ich ging brav zu all meinen Vorlesungen, absolvierte alle Prüfungen. Mir konnte niemand etwas vorhalten. Aber außerhalb der Vorlesungszeit wollte ich einfach keinen Gedanken an dieses Studium verschwenden. Es machte mir keinen Spaß, ich war nicht besonders gut, es erfüllte mich nicht. Das hatte ich, wenn ich ganz ehrlich bin, schon nach dem ersten Semester gemerkt. Aber damals dachte ich noch, es würde besser werden. Studium ist nicht wie Schule, vielleicht musste ich mich erst einmal eingewöhnen.

Danke für nichts, Statista!

Alle anderen um mich herum kriegten das ja auch hin. Die Freunde, mit denen ich gemeinsam Abitur gemacht hatte, hatten alle ein Studium oder eine Ausbildung begonnen, manche reisten auch noch irgendwo durch Australien, aber alle schienen zufrieden mit dem Weg, den sie gewählt hatten. „Fast jeder Dritte“ – wo spiegelte sich diese Statistik in meinem Umfeld? Leider gar nicht. Danke für nichts, Statista. Warum war denn gerade mein Plan nicht aufgegangen? Er kam mir damals doch noch richtig gut vor. Schon in der 12. Klasse hatte ich mir diesen Studiengang ausgesucht, verschiedene Universitäten verglichen, mir Probevorlesungen angehört. Im August 2013 erhielt ich dann meine Zusage und dachte: Alles läuft perfekt. Das tat es dann leider so gar nicht. Gerade das Grundstudium war für mich eine große Herausforderung. Ich habe bis heute kein mathematisches Talent, habe damals wochenlang gelernt und musste trotzdem mehrere Prüfungen wiederholen. Nicht gerade die angenehmste Erfahrung. Und so vergingen drei Semester. Ich ging zu meinen Kursen, bestand meine Prüfungen mit Ach und Krach. Schon als das zweite Semester nicht mehr Spaß machte als das erste, habe ich überlegt, alles hinzuwerfen. Aber wohin dann? Ich war noch nie unbeschwert und spontan genug, um mich das zu trauen. Ich dachte, bevor ich keinen Plan B hatte, könnte ich Plan A nicht einfach aufgeben. Das tat um mich herum schließlich auch keiner.

„Dafür gibt’s ein Formular.“

Als ich dann Weihnachten 2014 wieder einmal versuchte, so wenig wie möglich über mein Studium sprechen zu müssen und dabei trotzdem zu versichern, dass alles super laufe, machte es irgendwie ganz plötzlich „Klick“. Diese Prozedur würde ich noch fast zwei Jahren durchmachen müssen bis zu meinem Abschluss. Ich hatte keine Lust mehr, Zeit in ein Studium zu investieren, das mir nichts zurückgab. Keinen Spaß, kein Selbstbewusstsein und keine Perspektive. Also musste ich mir eingestehen, dass Plan A einfach nicht aufgegangen war. Anfang 2015 ging ich ins Büro meiner damaligen Hochschule. Eigentlich wollte ich mich erstmal nur beraten lassen. Wie läuft das, wenn ich mein Studium abbrechen möchte? Antwort: Dafür gab es ein Formular. Das füllte ich aus, warf es ein und das war’s. Hatte ich mir zugegeben auch etwas emotionaler vorgestellt. Naja, irgendwie war das noch der letzte Wink mit dem Zaunpfahl, der mir zeigte: Hier gehörte ich nicht hin. Danke und Tschüss.

Plan B

Über den Sommer arbeitete ich in verschiedenen kleinen Jobs und versuchte Plan B zu entwerfen. Tatsächlich bin ich dann über eine Berufsberatung zu dem Studium gekommen, das ich heute mache. Ich studiere aktuell im siebten Semester, stehe kurz vor meinem Bachelor-Abschluss und bin immer noch sehr glücklich mit meiner Entscheidung, Plan B gewagt zu haben.

Im Zeitraffer klingt dieser letzte Absatz jetzt so wunderbar einfach. Abbrechen, neu orientieren, anfangen, abschließen, fertig! Glaubt mir, für mich war es nicht einfach. Ich habe viel gezweifelt, befürchtet und dramatisiert, Freunden und Familie Sorgen bereitet. Ich dachte, ich hätte zwei Jahre Leben verschwendet: 22 Jahre alt ohne Perspektive. Alles Quatsch, das weiß ich heute auch. Diese Erfahrung hat mir im Rückblick eine ganze Menge über mich selbst beigebracht. Und zwei Jahre sind aufs Leben berechnet so unglaublich kurz.

Wenn es dir genauso geht wie mir vor drei Jahren, dann überleg dir, was dein Plan B wird. Wenn dich dein Studium nicht erfüllt und du keine Freude daran hast, dann such dir etwas Neues. Damit will ich nicht sagen, man sollte gleich aufgeben, wenn es mal schwierig wird. Gerade zum Studienbeginn ist erstmal alles neu und vielleicht einschüchternd, das ist normal. An sich ist Studieren auch nicht wie Pony reiten, Stress und vielleicht auch mal schlechte Noten gehören dazu. Gib dem Studium ein wenig Zeit, aber wenn du dann immer noch unglücklich bist, dann lass es. Sprich mit Freunden oder Familie darüber, lass‘ dich beraten an deiner Hochschule oder bei einer externen Beratungsstelle. Plan A muss nicht immer aufgehen und denk dran: „fast jeder Dritte“ – die Statistik liebt uns und zu irgendetwas muss die ja gut sein.

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