„Wir wollen den Studierenden das Leben und Lernen erleichtern“

Claudia Neumann organisiert das Deutschlandstipendien-Programm an der Uni Kiel. Bei ihr landen die Bewerbungen der Studierenden. Sie nimmt Kontakt zu Unternehmen, Stiftungen und Privatpersonen aus Kiel und der Umgebung auf und führt die Stipendienvergabe durch. Der KN-Collegeblog hat sie in ihrem Büro im Unihochhaus besucht.

Frau Neumann, was ist das Besondere an dem Deutschlandstipendium?

Das Deutschlandstipendium richtet sich an Studierende mit herausragenden Leistungen. Die Förderung geht über ein Jahr und umfasst monatlich 300 Euro. Das Besondere ist, dass sich der Bund die Finanzierung mit regionalen Förderern – jeweils mit 150 Euro – teilt. Bei uns an der Uni hat sich das Programm sehr gut etabliert. Wir haben mittlerweile einen großen Pool an regionalen Stipendienförderern aufgebaut. Viele sind bereit engagierte Studierende zu unterstützen. Es gibt auch anonyme Spender, die von dem Programm überzeugt sind, aber nicht in Erscheinung treten wollen. In den allermeisten Fällen ist es aber der persönliche Kontakt, der das Stipendium besonders macht. Manchmal werden Stipendiaten noch vor der Vergabefeier von ihren Stiftern eingeladen, um sich kennenzulernen. Für viele Unternehmen ist dies auch eine Chance, um junge Fachkräfte in der Region zu halten.

Wie läuft das Auswahlverfahren ab?

Nach Bewerbungsschluss liegt uns eine riesige Exceldatei vor. Dort sind alle wichtigen Kriterien vermerkt, die die Bewerber online angegeben haben. Im letzten Jahr hatten wir 460 Bewerbungen auf 104 Plätze. In erster Linie zählen die Noten. Doch auch das soziale Engagement ist ausschlaggebend. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung gibt bestimmte Kriterien vor – sogenannte ‚Scorepunkte‘ –, mit denen die Durchschnittsnoten der Schul- und Studienabschlüsse verbessert werden können. Hierunter fällt zum Beispiel Hausaufgabenhilfe, Vereinsarbeit, eine bestimmte sportliche Auszeichnung oder auch Flüchtlingshilfe. Letztens hatte ich eine Stipendiatin, die bereits mit 18 Jahren bei einem Seelsorgetelefon gearbeitet hat. Auch Freiwilligendienste oder leibliche Kinder unter 14 Jahren fließen in die Wertung ein. Es ist total spannend, wie viel die jungen Menschen schon mitbringen. Während der Auswertung stehe ich im engen Kontakt mit den Stiftern. Viele teilen uns mit, welche Fachbereiche sie gerne unterstützen möchten. Frauen in MINT-Fächern haben beispielsweise sehr gute Chancen.

Claudia Neumann koordiniert das Deutschlandstipendien-Programm an der CAU

Haben auch Geisteswissenschaftler Chancen auf ein Stipendium?

Ja, auf jeden Fall. Jeder hat Chancen. Natürlich werden oft Naturwissenschaftler und Mediziner favorisiert. Das ist der Puls der Zeit.  Eine große Stiftung vergibt beispielsweise zwanzig Stipendien vorrangig an die Technische Fakultät. Aber wir haben auch ungebundene Stipendien dabei. Es können sich Studierende aller Fachrichtungen bei uns bewerben. Solange das Stipendien-Kontingent nicht erschöpft ist, versuchen wir alles möglich zu machen.

 Seit wann gibt es das Deutschlandstipendium?

 Es wurde 2011 von der Bundesregierung eingeführt und die Uni Kiel ist von Anfang an mit dabei.

 Wie nehmen Sie Kontakt zu Stiftern auf?

Meistens gehen wir auf die Leute zu. Wir haben aber auch sehr gute Medienpartner – wie die Kieler Nachrichten. Über die Anzeigen-Akquise konnten wir im letzten Jahr sieben neue Stifter gewinnen.

Haben Sie Tipps für die Bewerbung?

Ich empfehle, vorab den Fragenkatalog und die Richtlinien zur Bewerbung auf unserer Homepage durchzulesen. Eigentlich kann man dann nicht mehr viel falsch machen. Der Lebenslauf kann gerne lebendiger gestaltet werden: Wer bin ich? Was mache ich? Welche Projekte habe ich schon durchgeführt? Wo habe ich mich engagiert? Gerne auch eine kleine Sicht in die Zukunft. Wo will ich hin? Was stelle ich mir vor?

Also eher ein kreativer Lebenslauf?

Ja, ganz genau. Es muss nicht unbedingt die klassische Form sein. Die Studierenden müssen nicht zwingend schreiben, wann sie eingeschult worden sind, sondern sollen betonen, was sie ausmacht. Auf diese Weise fällt es uns leichter, sie den Stiftern zu vermitteln. Gute Noten sind das eine – aber ins Leben zu gehen und etwas zu bewirken, ist etwas anderes. Natürlich kann nicht jeder ein Afrikaprojekt auf die Beine stellen oder ein Olympiasieger sein. Viele müssen jobben gehen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Wir versuchen all diese Kriterien zu berücksichtigen. Ein authentischer Lebenslauf öffnet Türen.

Ist das Stipendium unabhängig von BAföG und Einkommen der Eltern?

Ja, es ist on the top. Das Einkommen der Eltern wird überhaupt nicht abgefragt. BAföG-Zahlungen müssen zwar angegeben werden – aber das ist nur für die jährliche Statistik des Bundesministeriums. Es sind zwei unterschiedliche Programme und die Studierenden dürfen beide gleichzeitig in Anspruch nehmen.

 Wie ist die Bewerbungsfrist in diesem Jahr?

Wir versuchen in jedem Jahr die Termine der Abiturienten zu berücksichtigen. In diesem Jahr ist der Bewerbungszeitraum vom 24. Juni bis zum 12. Juli 2019. Die einzige Voraussetzung ist, ein Studium oder zumindest eine Bewerbung um einen Studienplatz an unserer Uni.

 Was möchten Sie den Studierenden auf den Weg geben?

Ich hoffe, dass dieses Stipendium den Studierenden das Leben und Lernen erleichtert. Dass sie sich mehr Zeit nehmen können für das Studium und für ihre eigenen Projekte. Sie sollen sich einfach ein stückweit freier fühlen können. Auf der anderen Seite wünsche ich mir aber auch, dass jeder Stipendiat diese Chance wertschätzt. Es ist wichtig, sich ab und zu bei den Stiftern zu melden, vielleicht eine Postkarte zu schreiben und sich zu bedanken. Leider sind mir durch fehlende Kommunikation schon Stifter abgesprungen – was sehr schade ist. Bei 3.600 Euro sollte ein „Danke“ selbstverständlich sein. Aber natürlich ist das nur eine Minderheit. Nachdem die Zusagen raus sind, trudeln immer wunderbare E-Mails ein wie „Endlich kann ich mein Fahrrad reparieren und die wichtigen Bücher kaufen“. Mir macht es Spaß, die jungen Menschen auf diesem Weg zu begleiten.

 Herzlichen Dank für das Gespräch.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert