„This Book is an experiment“ steht im Klappentext. Und was für eines, das erfahren wir auf den ersten Seiten. Der Ich-Erzähler stellt die Frage, wie weit wir ihn als Leser*innen begleiten. Wann geben wir ihm nicht mehr die Zustimmung für seine Handlungen? Denn der Erzähler ist ein Stalker. Er beobachtet Menschen, mit Vorliebe Frauen und hat in seiner Kartei knapp 90 Fälle gesammelt. Viel mehr als dass er ein männlicher Millionär ist, wissen wir nicht über ihn. Seine Taten schreibt er bis ins Detail auf und lässt uns so an ihnen teilhaben. So wird der Stalker zum Autor. Die Leser*innen erfahren nicht nur etwas über seine Aufzeichnungen, sondern rücken auch in der Rolle der Opfer, oder wie der Erzähler es ausdrücken würde, Untersuchungsobjekte.
Seine goldene Regel, nicht in das Leben der Objekte einzugreifen, bricht der Erzähler, als er auf Frances trifft. Die Firmenberaterin verliert aufgrund einer mysteriösen Mail ihren Job. Immer stärker nimmt der Erzähler Einfluss auf ihr Leben und das anderer Personen in ihrem Umfeld, bis er seine Beobachtungsposition verlässt und zum gewalttätigen Täter wird. Frances‘ One Night Stand geht es im Stil von Brett Easton Ellis‘ „American Psycho“ an den Kragen. Warum er das tut? Aus Neugierde – und weil er wissen will, wie es ist, darüber zu schreiben. Die Grenzen zwischen Erzähler und Autor, Leser*in und Opfer verschwimmen im Verlauf des Buches immer mehr. Und mit jeder Seite, die wir lesen, erlauben wir ihm mehr. „Consent“ ist mehr als ein Psychothriller. Die Spannung wird über die Frage aufgebaut, was der Erzähler als nächstes tut, wie seine Opfer es aufnehmen und wie die Leser*innen dazu stehen. Die Rechtfertigungen des Erzählers werden immer absurder, während die Leser*innen ihn in die Abgründe seiner Gedanken begleitet. Ein wenig wie in der Netflixserie „You“ (wer die noch nicht gesehen hat, sollte das tun). Der Erzähler tut Dinge, weil er wissen will, wie es sich anfühlt. Er möchte aus einer authentischen Position heraus schreiben. Ein gruseliger Gedanke, der die Idee des Tod des Autors hinterfragt. Eine Lösung des Experiments wird nicht geboten. Ohne zu viel verraten zu wollen, begibt sich das Buch in einen Kreis, dessen Ende den Anfang aufnimmt. Ein spannendes Experiment, das zum Nachdenken anregt, aber trotz der recht geringen Seitenzahl seine Längen hat.
Titel: Consent (englischsprachige Ausgabe)
Autor: Leo Benedictus
Verlag: Faber & Faber (Januar 2018)
Preis: 16,00 (gebundene Ausgabe)