Der Frühling steht vor die Tür und nicht selten hoffen Singles, dass es mit ihm auch die Frühlingsgefühle tun. Romantische Fördespaziergänge, Ausflüge zum See und vielleicht sogar ein gemeinsamer Sommerurlaub – das Programm steht eigentlich schon, doch woher mit der passenden Begleitung?
„Find out who likes you nearby“ ist neben „Any swipe can change your life“ und „It starts here“ nur einer der Werbeslogans von Tinder, der meistgenutzten kommerziellen Mobile-Dating-App der Welt. Sie verspricht gleichgesinnte Singles schnörkellos zusammenzuführen und ermöglicht eine Konversation, sofern gegenseitig ein „Like“ vergeben wurde. Wem daran gelegen ist, möglichst zeitökonomisch neue Kontakte zu schließen, ist hier richtig. Die Kommunikation bei Tinder ist sehr frei und aufgeschlossen, zudem können Profilinformationen als erster Filter genutzt werden, sodass eine Verabredung meist sehr schnell initiiert und organisiert wird. Was die Qualität dieser angeht, sind trotz mitunter sorgfältiger Auswahl in beide Richtungen keine Grenzen gesetzt.
Während ein Freund von mir nach einer märchenhaften Hochzeit mit seiner ersten Tinder-Bekanntschaft aktuell sehnsuchtsvoll der Geburt ihres gemeinsames Kindes entgegenfiebert, hat eine Freundin von mir Tinder schock-deinstalliert, nachdem sie ungefragt ein paar pikante, wenn nicht gar pornografische Medien zugeschickt bekam.
Interessant ist vor allem, dass der Gebrauch dieser App weitgehend negativ konnotiert ist – ein Umstand, dessen die meisten Nutzer sich bewusst sind. Denn auf Nachfrage innerhalb meines Freundeskreises, ob und warum die App genutzt würde und wie die Meinung dazu sei, bekam ich recht einheitliche und stets rechtfertigende Antworten: Die App sei fürchterlich und werde entweder nur zum Spaß oder aus Langeweile genutzt. Offensichtlich sehen die meisten es als gesellschaftlich nicht konform an, eine als „Sex-App“ verschriene App zu gebrauchen, um jemanden kennenzulernen. Die Stigmata, außerhalb des virtuellen Raums keine neuen Leute kennenlernen zu können oder es „nötig zu haben“ sich mit Fremden zu treffen, schwingen offenkundig mit. Einher zu gehen scheint damit eine gewisse Desillusionierung: Gewissermaßen muss erst einmal eingesehen werden, dass ein Kennenlernen á la Disney in nächster Zeit nicht stattfinden wird, bevor eine App wie Tinder installiert werden kann.
Stereotype und Stigmata entstehen meist unbewusst, um einen Sachverhalt vereinfachend darzustellen – dies scheint mir auch hier der Fall zu sein. Dabei sind die Erfahrungen, die jeder mit dieser App macht oder machen kann so individuell und komplex wie die Person selbst. Unmöglich kann sie nur gut oder nur schlecht sein – wahrscheinlich ist sie das, was man daraus macht oder machen möchte.
Wer allerdings lieber darauf setzen möchte, schon bei der ersten Begegnung auszukundschaften, ob man sich „riechen“ kann und die Schwingungen unmittelbar erleben möchte, fährt mit einem persönlichen ersten Kennenlernen natürlich besser. Zwei Möglichkeiten, dies in Kiel zu tun und die auch schon von meinen Freundinnen erprobt wurden, sollen im Folgenden vorgestellt werden.
Verguckt – Kino für Singles
Wo: Studio Filmtheater am Dreicksplatz (Wilhelminenstraße 10)
Wann: Der nächste Termin ist am 23. Mai um 20:30 Uhr (weitere Termine sind in Planung)
Was: Bei der regelmäßigen, deutschlandweit bekannten Veranstaltung Verguckt kann eine spezielle Kinokarte erworben werden, die die Teilnahme an einem moderierten Filmabend mit einer Reihe ausgewählten Kurzfilmen zum Thema Liebe sowie ein Freigetränk im Anschluss an die Vorstellung beinhaltet. Die Moderation ist dabei so aufgebaut, dass die Teilnehmenden schon während der Vorschau einen Einblick in den Charakter der Mitschauenden erlangen können und eventuell Anknüpfungspunkte für ein anschließendes Gespräch gefunden werden können.
Meine Freundin Nina* wurde über Facebook auf die Veranstaltung im Kieler Studio Kino aufmerksam und beschloss (nach ein paar wenig interessanten Tinder-Dates) zusammen mit einer Freundin, diesem alternativen Konzept eine Chance zu geben. Offenbar eine gute Entscheidung, denn kürzlich feierten sie und ihr Freund, der sie damals nach dem Film gleich angesprochen hatte, ihr einjähriges Jubiläum mit einem Besuch im Studio Kino.
Trotz ihres Glücksgriffes ist sie dennoch zwiegespalten was eine Empfehlung angeht. Lebhaft in Erinnerung ist ihr noch immer der hohe Altersdurchschnitt – von rund 50 Teilnehmenden waren gut vier Fünftel über 50. Würde dieses Format bei Studierenden allerdings bekannter werden und besser angenommen werden, so ihre Vermutung, hätte Verguckt allerdings auf jeden Fall das Potential, weitere Paare zusammenzubringen.
Jack’s Date-Night
Wo: Jack’s Kitchen (Westring 399)
Wann: Jeden ersten Samstag im Monat ab 21:30 Uhr
Was: In klassischer Speed-Dating-Manier haben 20 Menschen, die sich vorher verbindlich angemeldet und eine Anmeldegebühr von 15€ entrichtet haben, bei Jack’s Date-Night jeweils vier Minuten Zeit, miteinander bekannt zu werden. Nach jedem Gespräch ist etwas Zeit vorgesehen, um sich Notizen zu machen. Zum Schluss können alle Teilnehmenden auf einem Zettel vermerken, wen sie gern wiedersehen würden. Diese Zettel werden im Anschluss an den Speed-Dating-Durchgang diskret vom Personal ausgewertet, sodass am Ende jedem ein Umschlag mit den Telefonnummern der Interessenten, mit denen es eine Übereinstimmung gab, überreicht werden kann.
Das Gute an diesem Konzept, so berichten meine Freundinnen Rieke** und Rebekka***, sei dass vier Minuten meist tatsächlich ausreichen, um einen Eindruck davon zu erhalten, ob man eine Person näher kennenlernen möchte oder nicht. Dementsprechend können in gut einer Stunde zehn mögliche neue Bekanntschaften begutachtet werden – zeitökonomisch bewegt sich diese Quote fast schon auf dem Niveau von Tinder, allerdings mit dem Vorteil, den Gesprächspartnern tatsächlich gegenüberzusitzen, ihre Gestik und Mimik zu studieren, den Klang ihrer Stimmen zu hören und ihre Präsenz einfach allumfassend wahrzunehmen. Zudem empfanden beide die Atmosphäre als sehr angenehm und die Aktion an sich als „aufregend und spaßig.“ Darüber hinaus, so bemerkt Rieke, sei es sehr spannend, mal auf eine ganz andere Klientel von Leuten zu treffen, denn in der Uni „sieht man ja meistens immer dieselben Gesichter.“
Auch wenn weder Rebekka (ihr hat einfach keiner der Männer gefallen) noch Rieke (sie hatte zwar eine Übereinstimmung, die hat sich aber irgendwie im Sande verlaufen) bei der Date-Night ihre zweite Hälfte gefunden haben, hatten sie doch einen lustigen Abend mit vielen interessanten Impressionen, über den sie nichts negatives berichten können – abgesehen davon vielleicht, dass es ruhig mehr Sekt hätte geben können! Und schließlich haben sie die Partnersuche aktiv in die Hand genommen, anstatt darauf zu warten, dass ein toller Typ um die Ecke kommt.
Bei fast allen Dingen im Leben gehen wir davon aus, dass irren menschlich ist und wir aus jedem Fehler etwas lernen können – warum sollte das bei Rendezvous anders sein? Was kann bei einem harmlosen Heißgetränk schon passieren?
Mein persönliches Resümee in Sachen Dating – es mag altklug erscheinen und keinen wirklichen Informationsgewinn beinhalten – ist: Nur Mut! Geht vor die Tür, lächelt in die Welt hinein (sie wird ganz bestimmt zurücklächeln!) und probiert einfach mal was Neues aus! Gibt es jemanden, der euch schon lange gefällt? Fragt nach einem Treffen! Moniert ihr auf dem Sofa liegend darüber, dass ihr niemanden kennenlernt? Schnappt euch eure Freunde und geht tanzen! Ist da eine Party, auf die ihr eigentlich keine Lust habt? Geht einfach hin! Vielleicht gibt es auch jemanden, den ihr nie in Erwägung gezogen hättet – denkt darüber nach!
Und selbst wenn es dieses Jahr nichts wird mit der Suche nach einer neuen Beziehung – was wäre daran schlimm? Seit wann muss man zu zweit sein, um ganz zu sein? Das Allein- beziehungsweise das Singlesein können wunderbar genutzt werden, um die Verbindung zu sich selbst zu stärken – gemäß Psychologie übrigens die Basis für eine funktionierende Liebesbeziehung.
Beitragsbild: Cornelia Müller
* Name geändert
** Name geändert
*** Name geändert