Das 1×1 des Lernens: Erfolgreich ins Semester starten

Kennst Du das? Das Semester hat gerade erst begonnen und Du weißt schon nicht mehr, wo Dir der Kopf steht? Ich kenne das Gefühl. Die Professoren empfehlen zwanzig Bücher, die wir unbedingt lesen sollen, bis nächste Woche ist bitte auch die erste Gruppenarbeit fertig und die Skripte stapeln sich schon jetzt bis zur Decke. Dazu kommen noch schwere mathematische Formeln, Theorien aus der Steinzeit oder Begrifflichkeiten, bei denen nur noch Wikipedia weiterhilft. Ich frage mich jedes Mal: Wie soll ich das nur alles lernen? Lernen kann man tatsächlich lernen. Ja, Du hast richtig gelesen. Mit den richtigen Tipps und Tricks schaffst Du es, Deine Noten zu verbessern und das Chaos zur Prüfungsphase zu vermeiden. Zu schön, um wahr zu sein? Nein, nicht mit unserem 1×1.

Gemeinsam mit Corinna Lütsch vom Zentrum für Lernen und Lehrentwicklung der Fachhochschule Kiel geben wir Dir zehn Ratschläge, damit Du erfolgreich in das Semester startest.

1×1 = Nicht mehr vom Gleichen!

„Viele machen im Studium das, was sie auch beim Abitur gemacht haben“, so Corinna Lütsch. Stimmt, eher selten habe ich meine Art zu lernen, hinterfragt. Seit der Schulzeit ist es bei mir ein ähnlicher Ablauf: Lernzettel erstellen, die Inhalte auf Karteikarten handschriftlich zusammenfassen und dann wiederholen, wiederholen, wiederholen. Wir bleiben bei dem, was wir uns in 13 Jahren Schule angeeignet haben, auch wenn wir mittlerweile eine Hochschule besuchen. Der Terminkalender drängt und wir fangen blind an zu lernen. Keine Spur von neuen Methoden. Ein Fehler findet die Trainerin: „Viele Studierende bleiben bei ihrer Lernweise, obwohl sie merken, dass diese nicht funktioniert. Sie lesen dann noch mehr, schreiben noch mehr auf oder streichen noch mehr an. Dann hat man diese Texte, die pink, rot, grün markiert sind, und es ist keine Gewichtung mehr erkennbar.“ Das Fazit lautet also: Bitte nicht mehr vom Gleichen.

2×1 = Probiere neue Methoden!

„Der Tipp dagegen ist, mal etwas anderes auszuprobieren und diesen neuen Methoden auch eine Chance zu geben.“ Das bedeutet für mich, weniger von den Notizen in wortschriftlicher Form. Aber was ist die Alternative? Die Expertin fürs Lernen empfiehlt, Lernstoff zu visualisieren: „Bringen Sie irgendetwas aufs Papier. Also zum Beispiel könnte man das behandelte Thema als Mindmap visualisieren oder einen Prozess als Ablauf darstellen. Die Studierenden können ein selbst erfundenes Diagramm malen oder eine Skizze machen. Alles, was sich von der reinen Schriftform entfernt und dem Ganzen ein bisschen Struktur verleiht, ist sinnvoll.“ Grundsätzlich gilt aber: Wir lernen alle am besten auf möglichst vielen Kanälen. Lesen, Tutorials gucken, Podcasts hören oder Mindmaps anfertigen – „Das Gehirn freut sich über Abwechslung.“

3×1= Nutze eigene Erfahrungen!

Aber was tun bei schwierigem Lernstoff? Du kennst bestimmt auch den einen Moment, an dem wir versucht sind aufzugeben und die Klausur einfach ins nächste Semester zu schieben. „Lernstoff ist immer dann besonders schwierig, wenn man selbst wenig Bezug dazu hat und sich das Ganze sehr abstrakt anfühlt“, erklärt Corinna Lütsch mir. Anstatt dann einfach stumpf auswendig zu lernen oder gleich aufzugeben, sollten wir lieber ganz bewusst nach eigenen Erfahrungen mit dem Thema suchen. „Wenn man BWL studiert und man weiß nicht genau, wie ein Kauf abgewickelt wird, man aber schon einmal etwas über eBay gekauft hat, kann man sich dieses Beispiel vor Augen führen.“

4×1 = Lerne weniger auswendig!

Wenn wir ans Lernen denken, setzen wir es automatisch mit Auswendiglernen gleich. Mathematische Formeln, Vokabeln oder das Periodensystem, schon in der Schule mussten wir uns Lehrstoff einprägen. Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber ich habe das meiste des gelernten Stoffs nach der Klausur direkt wieder vergessen. Stumpfes Auswendiglernen hilft Dir nicht dabei, Themengebiete zu verstehen oder es später in die Tat umzusetzen. Daher hält Corinna Lütsch das reine Auswendiglernen an der Hochschule auch für einen Fehler. „Das rächt sich im Laufe des Studiums, weil man auf die meisten Inhalte zurückgreifen muss und es nicht mehr kann.“

5×1 = Fang rechtzeitig an!

Lernen bedeutet wiederholen, wiederholen, wiederholen. „Idealerweise wiederholt man nach einem Tag, nach einer Woche, nach einem Monat. Das funktioniert jedoch nur, wenn man früh genug anfängt. Darin steckt also auch der Appell: Liebe Studis, fangt früh genug an zu lernen.“ Schon zu Beginn des Semesters empfiehlt es sich laut Corinna Lütsch einen groben Plan aufzustellen. „Das tun viele ungern, weil sie es immer anders gemacht haben und es nicht gewohnt sind. Das erfordert erst einmal sehr viel Selbstdisziplin. Sich die Zeitschiene mal vor Augen zu führen, macht etwas mit uns.“ Auf einmal ist der Prüfungstermin nicht mehr irgendein Termin in ferner Zukunft, sondern nur noch wenige Wochen entfernt. „Zum Semesterbeginn empfiehlt es sich also, die Vorlesungen gut vor- und nachzubereiten. Sobald sich Themenfelder herauskristallisieren, kann man einen Lernzettel anfertigen. So kann man in die Wiederholungsschleife gehen und muss nicht am Ende des Jahres, den ganzen Stoff von vorne aufrollen.“ Planst Du also schon während des Semesters mehr Selbstlernzeit ein, kannst Du hin und wieder auch einen Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt genießen.

6×1 = Mach mal Pause!

Eins solltest Du bei Deiner Tagesplanung nicht vergessen: die Pausen. Wie oft habe ich schon trotz fehlender Konzentration weiter gelernt, um möglichst viel zu schaffen. Dabei seien die Pausen ganz besonders wichtig, damit das aufgenommene Wissen auch vom Gehirn verarbeitet werden kann, erläutert die Trainerin. „Wenn man immer mehr reinstopft, fällt hinten wieder was rüber.“ Daher kommen wir nun zum leckersten Tipp: die italienische Pasta. Nein, leider nicht zum Essen, aber gut um sich den Namen der Pomodoro-Methode zu merken. Pasta Pomodoro bezeichnet in Italien zwar die beliebten Nudeln mit Tomatensoße, in diesem Fall geht es aber darum, effektiv zu arbeiten. Die Methode besagt: Lerne 25 Minuten und mache fünf Minuten Pause, lerne wieder 25 Minuten und mache dann wieder eine Pause. „Das kann man gut eineinhalb Stunden machen und dann macht man noch einmal eine Viertelstunde Pause.“ Die Ruhezeit sollte man aber nicht nutzen, um den Instagram-Feed zu stalken oder sich mit lustigen Tiervideos bei Facebook abzulenken. „Eine Pause heißt aufstehen, bewegen, Fenster auf, einen Tee aufsetzen oder mal nichts tun.“ Ich nutze längere Pausen gerne, um etwas zu dösen. Corinna Lütsch hält das Powernapping für eine gute Idee: „Wenn man zwischendurch eine kleine Blockade oder das Gefühl hat, man kann sich gar nicht mehr konzentrieren, ist der Turboschlaf eine gute Sache. Man sollte sich maximal fünfzehn Minuten hinlegen und sich unbedingt einen Wecker stellen. Dabei ist es völlig egal, ob man schläft oder nicht. Nach fünfzehn Minuten sollte man aufhören. Dann hat man die Ruhe gehabt, die man braucht, und oft kommen einem im Liegen richtig gute Ideen.“

7×1 = Mach Dir einen Notfallplan!

Prokrastination hat inzwischen traurige Berühmtheit erlangt. Wir schieben das Lernen auf, bis es nicht mehr anders geht oder bis es sogar schon zu spät ist. Ich kenne es auch zu gut. Statt die Bücher zu wälzen, räume ich den Schreibtisch auf, putze nach Monaten genau zu meiner Selbstlernzeit die Fenster oder sortiere meinen Kleiderschrank. Wir verschaffen uns also ein gutes Gefühl, indem wir zwar produktiv sind, aber nicht das geschafft haben, was wir uns vorgenommen haben. „All denen, die gerne aufschieben, empfehle ich, mit kleinen Paketen zu starten.“ Zerlege Dir Deinen Lernstoff in kleine Häppchen, sodass Du nicht mehr nur den riesigen Berg an Arbeit siehst. Henry Ford sagte schon: „Nichts ist besonders schwer, wenn Du es in kleine Aufgaben teilst.“ Ist das Kind schon in den Brunnen gefallen, ist es trotzdem wichtig, nicht einfach blind anzufangen. Mach Dir einen Plan und setze Prioritäten. An dieser Stelle kann das Pareto-Prinzip helfen. „Das Prinzip liefert die Antwort auf die Frage, welche kleinen Maßnahmen eine große Wirkung haben.“ Anstatt Dich in Details zu verlieren, solltest Du Dir einen Gesamtüberblick verschaffen. „Dann würde ich auch das an Wissen nutzen, das ich über die Art der Prüfung habe. Es hilft immer, im Format der Prüfung zu lernen. Habe ich eine mündliche Prüfung, ist es sinnvoll, in einer Lerngruppe zu üben und mich mit anderen auszutauschen. Wenn ich Multiple-Choice-Aufgaben lösen muss, sollte ich diese schon einmal in dem entsprechenden Unterrichtsfach beantworten.“ Damit ich dieses Semester keinen Notfallplan brauche, werde ich in jedem Fall früh anfangen und früh heißt jetzt. Starte heute und nicht erst morgen. Denn wie wir Nordeutschen sagen: „Wat mutt datt mutt“ – Findet Ihr nicht auch?

8×1 = Verändere Deinen Lernort!

Aufschieben hängt oft damit zusammen, wo wir lernen. Wirst Du von Deinen Freunden in der WG abgelenkt oder fängst Du zu Hause immer an zu putzen statt etwas für die Uni zu tun? Dann verändere Deinen Lernort. „Den optimalen Lernplatz gibt es so nicht. Wenn ich jetzt aber nur von den Anforderungen des Gehirns ausgehe, dann würde ich sagen, man soll an vielen unterschiedlichen Orten auf ganz unterschiedliche Weise lernen.“ Du kennst die üblichen Verdächtigen: Der eigene Schreibtisch und die Bibliothek kommen uns immer in den Sinn, wenn wir daran denken, effektiv zu lernen. Corinna Lütsch hat aber noch ganz andere Ideen: „Man kann ganz wunderbar mit Karteikarten draußen durch die Gegend spazieren. Das Gehirn liebt es, wenn man sich bewegt, während man lernt. Also der alte Mythos man sitze still, ist total überholt. Man kann sich auch, wenn man in der Vorweihnachtszeit in der Schlange in der Post steht, innerlich abfragen. Das funktioniert auch beim Autofahren.“ Im Bett lernen? Keine ganz schlechte Idee, zumindest kurzweilig. „Nicht umsonst hat die Psychotherapie die Couch. Im Liegen kommen wir auf gute Ideen und Informationen gelangen leichter ins Langzeitgedächtnis.“ Den ganzen Tag sollten wir trotzdem nicht im Bett lernen und wer sich jetzt fragt: „Wo denn dann?“, der kann sich hier die liebsten Lernplätze von mir und den anderen Bloggern anschauen:

9×1 = Suche Dir eine geeignete Lerngruppe!

Zusammen mit meinen Mädels zu lernen, motiviert mich immer wieder aufs Neue. Anstatt alleine und isoliert an meinem Schreibtisch zu lernen, tauschen wir uns aus und unterstützen uns gegenseitig. Lerngruppen sind extrem hilfreich, sie sollten aber nicht zu groß sein. Corinna Lütsch empfiehlt eine Gruppengröße von zwei bis vier Personen. Alle, die in die Lerngruppe kommen, sollten außerdem den Lernstoff bereits vorbereitet haben. „Wichtig ist, dass Gruppen nicht ins Jammern verfallen. Es gibt Gruppen, die stimmen so ein solidarisches Klagen ein. Es fühlt sich sicher erst einmal gut an, dass es den anderen genauso geht wie mir, aber für die Motivation ist das keine gute Idee.“ Erteilt Euch also ein paar Regeln wie „Wir jammern nicht“ oder „Wir machen jede Stunde eine Pause“ und dann macht das gemeinsame Lernen gleich viel mehr Spaß.

10×1 = Suche Dir Hilfe!

Du schaffst es trotz der Tipps, nicht mit dem Lernen zu beginnen? Du schreibst nicht die gewünschten Noten? Oder Du kommst mit deinem Lernpensum nicht aus? Dann hole Dir Hilfe. Corinna Lütsch bietet im Zentrum für Lernen und Lehrentwicklung während des Semesters mehrere Kurse zu Lernstrategien und Zeitmanagement an.

Aktuelle Termine:

  • Kurs 1: 20.09.19 und 11.10.19 von 09.00 – 16.00 Uhr
  • Kurs 2: 21.11.19 und 28.11.19 von 09.00 – 16.00 Uhr

Außerdem gibt es ein großes Angebot während der Interdisziplinären Wochen vom 4. – 15. November 2019 an der Fachhochschule Kiel. Wer ganz gezielt auf ein Problem oder eine Fragestellung eingehen will, kann sich von Corinna Lütsch individuell beraten lassen.

Ich hoffe, die Tipps und Tricks helfen Dir, um erfolgreich in das nächste Semester zu starten. Lernen ist schwierig und sicher nicht immer mit Spaß verbunden. Ich für meinen Teil werde mir meine Selbstlernzeiten ab heute etwas abwechslungsreicher gestalten: Ich werde mit meinen Karteikarten spazieren gehen, Mindmaps malen und wieder öfter mit meinen Mädels lernen. Ich werde mir einen Plan machen, rechtzeitig anfangen und mich nicht ablenken lassen. Denn denk daran: Wenn das Leben dir Limonen gibt, leg sie beiseite und lern! Du hast jetzt keine Zeit, Limonade zu machen.

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