Orientierungslosigkeit im Studium

Erster Tag im Vorkurs der Philosophie, voll motiviert: jetzt geht es endlich los. Und dann werde ich mit dem Fakt willkommen geheißen, dass ich das Fach mit der höchsten Abbrecherquote gewählt habe – wie nett! Diese und ähnlich motivierende Äußerungen habe ich am Anfang des Studiums häufig zu hören bekommen. Auch wenn sie mehr dazu gedacht waren, mich anzuspornen, haben mich Sätze wie „Im Studium gibt keiner mehr auf dich acht.“ mehr verunsichert als motiviert.

Irrwitziges Internet

Als es mit dem Studium losging, kamen natürlich viele Dinge auf mich zu, mit denen ich mich erstmal zurechtfinden musste. Neben dem Abitur gab es übrigens noch eine weitere, durchaus komplizierte Hürde: das Internet. Die Kieler Universität (die Abteilung Internet-Depri, vermute ich) hat dieses Hindernis so gestaltet, dass es viele Internetseiten gibt, die alle unterschiedliche Funktionen haben, obwohl es sich um die gleichen Informationen handelt. So galt es für mich zuerst herauszufinden, dass es eine Seite gibt, auf denen alle Kurse aufgelistet sind, ich mich aber auf ganz anderen Seiten für diese anmelden muss. Wenn überhaupt: Denn wiederum andere Kursanfragen musste ich per E-Mail verschicken, oder mich ganz analog in Listen eintragen. Positiver Nebeneffekt: Ich lerne gleich den Campus kennen, was mich zum nächsten Punkt bringt.

Labyrinth mit Buslinien

Als Neuling hatte ich erstmal keinen guten Überblick über den Campus, wodurch ich mich auf der Suche nach einem bestimmten Hörsaal schnell verloren fühlte. Dazu kam, dass ich neu nach Kiel gezogen war, wodurch ich die Stadt nicht kannte, was es mir zusätzlich erschwerte, Orientierung sowie Halt zu finden. Doch während der Zeit, als ich noch nicht in Kiel wohnte und jeden Tag den Zug nahm, war es noch um einiges komplizierter: Erstens musste ich mir eine Übersicht über die Bus- sowie Bahnlinien verschaffen und zweitens musste ich dabei immer eine erwartbare Verspätung einkalkulieren. Eines Tages fiel meine Zugverbindung dreimal hintereinander aus; da haben mir meine Kalkulationen auch nicht mehr geholfen.

Übereilte Entscheidungen

Manchmal frage ich mich, wer eigentlich entschieden hat, was ich jetzt studiere. War ich es, oder war es mein Umfeld? Solche Fragen können den gesamten Unialltag in Frage stellen. Das bekomme ich bei vielen Kommilitonen mit, die dann sagen, dass sie ja nächstes Semester das Fach wechseln wollen. Was genau sie dann studieren werden, das entscheiden sie ein andermal, nur der Wechsel ist bereits entschieden. Das finde ich ziemlich bedenklich, da man in diesem Moment nur in Ungewissheit vor der Zukunft schwebt. Man ist mit dem aktuellen Zustand nicht zufrieden, doch alternative Pläne hat man auch noch nicht. Man weiß nur: Alles wird sich nochmal ändern. Auch wenn diese Gedanken in der Findungsphase normal sind, wirken sie auf mich in dem Moment entmutigend.

Keiner kennt keinen

Ich bin vor dem Studium auf eine Schule mit rund 1000 Schülern gegangen; das ist doch echt viel, dachte ich. Doch verglichen mit 25 000 Studierenden an der Uni ist das natürlich ein Witz. Anders als auf dem Pausenhof sehe ich auf dem Campus nur selten bekannte Gesichter; daran musste ich mich erstmal gewöhnen. Auch in den Seminaren und Vorlesungen bin ich immer mit anderen Leuten zusammen. Daher ist es schwierig, ein festes Umfeld aufzubauen, was mir mehr Halt und Orientierung geben würde.

Die Masse macht’s

Zu den gerade genannten Aspekten kamen wohlgemerkt noch einige Herausforderungen hinzu wie die Wohnungssuche oder die familiäre Loslösung. All diese Dinge waren durchaus bewältigbar, doch da sie zum gleichen Zeitpunkt auftraten, wirkten sie zunächst wie ein Ungetüm, das mich verschlingen wollte. Diese plötzlichen Probleme trugen den Schleier der Neuheit, da ich mit ihnen zum ersten Mal konfrontiert war. Allerdings merkte ich schnell, dass es noch sehr viel mehr Leute mit den gleichen Angelegenheiten gab – und noch mehr Leute, die diese schon einmal gelöst haben. Ich musste nur einmal die Perspektive wechseln und jede Aufgabe einzeln betrachten: das Ungetüm in seine Bestandteile filetieren. Denn es ist sehr viel leichter, diese Aufgaben einzeln anzugehen. Und dort, wo man wirklich nicht mehr weiterkommt, wird einem geholfen von jemanden, der das schon einmal gemacht hat. Somit verfällt die Überforderung und löst sich in viele kleine Erfolgserlebnisse auf.

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