Kieler Sticker: Ein Abziehbild der Kieler Popkultur

Was hat ein Eigelb auf einer Straßenlaterne verloren? Und warum hat die Federballklikke nichts mit Sport zu tun? Eine Führung durch den Aufkleberdschungel im Kieler Stadtbild.

Mit Stickern Kiel kennenlernen

Ich bin fürs Studium nach Kiel gezogen. Zuvor hatte ich so gut wie keinen Bezug zu dieser Stadt, weshalb ich in der Anfangszeit wahrscheinlich mit wacherem Blick durch die Straßen gezogen bin, als manch alteingesessener Kieler. Dabei stachen mir vor allem Sticker ins Auge, die gefühlt an jeder zweiten Laterne oder Ampel klebten, also scheinbar sehr populär in Kiel waren, die ich aber nicht verstanden habe. Grund genug, um mein inzwischen erlangtes Wissen mit anderen Neukielern zu teilen.

Bernd

Die rot-blau stilisierten Plakate mit dem Porträt Barack Obamas und der Aufschrift Hope kennt wahrscheinlich jeder. Eine ähnlich große Bekanntheit, wie der ehemalige US-Präsident genießt unter Kielern nur eine Person: Bernd Knauer. Knauer und seine Kumpanen, gemeinsam auch unter dem Namen „Kieler Kneipenterroristen“ bekannt, waren Protagonisten einer Dokumentation aus den 90ern mit dem Titel: „Youth Wars: Beobachtungen in der deutschen Provinz“. Diese erreichte im Internet und besonders in Kiel Kultstatus und wurde dabei zum Must-See eines jeden Neu-Kielers Dabei blieb einem besonders Bernd Knauer im Gedächtnis, der mit seinem norddeutschen Dialekt und seinen markigen Sprüchen á la: „Also auf Frauen – geben wir nicht so viel. Wir geben lieber auf die Freundschaft mehr.“ auf viel Sympathie traf. Damit verdiente er sich einen Platz im Kieler Straßenbild, angelehnt an Barack Obamas Hope-Plakaten.

Eigelbs

„So ne guten Spiegeleier hast du noch nie gesehen, Mensch! Bei dir sind die ganzen Eigelbs kaputt.“ Von wem außer Bernd Knauer könnte dieser Spruch kommen. Der Kieler Kneipenterrorist preiste damit seine Fertigkeiten am Kochlöffel in Bezug auf Spiegeleier an und Knauers eigener Plural von Eigelb (laut Duden: die Eigelbe) machte ihn in der Dokumentation noch kultiger als er ohnehin schon war. Eigelbs geht den Kielern auch fast 30 Jahre nach Erscheinen von „Youth Wars“ nicht mehr aus dem Kopf und einen erheblichen Beitrag daran leisten die entsprechenden Sticker.

Sky never dies

Im Vergleich zu den zuvor genannten ist der Hintergrund dieser Sticker relativ jung. Wer vor 2019 nach Kiel gezogen ist, wird sich gewundert haben, dass hier eine Supermarktkette häufig anzutreffen war: Sky. Sky gab es nur in Schleswig-Holstein und war im Einkaufalltag vieler Kieler integriert. Obwohl ein großer Konzern dahinterstand, hatte man dennoch das Gefühl von Unterstützung von lokaler Wirtschaft, wenn man im Sky seine Besorgungen erledigte. Dieses verschwand 2019 vollständig, denn alle Sky-Märkte wurden zu REWE-Märkten und somit unterscheidet sich die Kieler Supermarktsituation nicht mehr besonders von jeder anderen Stadt in Deutschland. An die ehemaligen Sky-Märkte erinnern diese Sticker und für nachfolgende Generationen von Kielern zeigen diese, dass es ein Leben vor REWE gab.

SHO SUM LUV

„Was soll das denn bedeuten?“, wird man sich fragen. Ganz einfach: Show Some Love. Hinter diesem Motto verstecken sich Musik und Events vor allem im Luna in der Bergstraße. Radioshows der Crew um diese Sticker findet man auf der Musikstreamingplattform Soundcloud und wem diese gefallen haben, kann sich auf Instagram oder der Facebook-Seite des Lunas informieren, wann dort wieder unter dem Motto „SHO SUM LUV“ gefeiert werden kann. 

Federballklikke

Federballklikke ist eine Rap-Crew aus Norddeutschland und der wohl bekannteste Vertreter dieser ist der Kieler Steasy. Dieser trat 2012 und 2013 unter dem Namen in der damals bekanntesten Videobattleturnier-Serie VBT der Website Rappers.in an und brachte es da zu großem Erfolg. Das VBT war damals unter Rap-Fans in Deutschland mehr als ein Geheimtipp, um aufstrebende Künstler oder talentierte Hobbyrapper bei ihrer Tätigkeit zu sehen und die Federballklikke genoss damals einen Kultstatus durch ihre kreative Arbeit bei der Videoproduktion und ihren Rap-Beiträgen um Steasy. Wenn man sich heute nochmal die Videos anschaut, wird man den einen oder anderen Ort aus Kiel und der Umgebung wiedererkennen. 

kacke

kacke ist ein Sticker, den man auch häufig in Kiel antrifft und dies meist an ziemlich lustigen Orten. Der humoristische Wert liegt in der Natur des Wortes selber. So manch ein anderer Sticker bekommt eine andere Bedeutung oder Aussage durch das Überkleben mit „kacke“. Neben Stickern verbergen sich hinter kacke auch T-Shirts und Mützen aus Kiel mit ebendiesem Wort. 

GELIEBTES KIEL

Geliebtes Kiel ist ein Werbesticker für den gleichen Hashtag #geliebteskiel auf Instagram. Mit diesem Hashtag findet man schöne Bilder, die Kieler von ihrer Stadt gemacht haben. Wenn man einen schönen Ort in Kiel fotografiert hat und dieses Foto mit Gleichgesinnten teilen will, setzt man einfach diesen Hashtag darunter, so dass andere den eigenen Beitrag zum Motto sehen. Zusätzlich dazu gibt es die Instagram-Seite geliebteskiel, wo man ausgewählte Orte Kiels gut fotografiert sehen kann. Neben den Fotos der Betreiberin des Accounts lädt sie auch Bilder von Nutzern des Hashtags hoch, die besonders gut gelungen sind.

Man sieht, dass Kiel mit vielen verschiedenen Stickern aufwarten kann und hinter fast allen versteckt sich eine Geschichte oder Menschen, die damit ihre Verbundenheit zur Stadt, seinen Menschen oder der hiesigen Kultur ausdrücken. Mit jedem Jahr in Kiel lernte ich mehr Hintergründe zu den Stickern kennen und ich freue mich jedes Mal, wenn ich neue, mir unbekannte entdecke. Oftmals erkennt man nicht auf den ersten Blick, was ein bestimmtes Motiv bedeutet, doch Instagram stellt eine große Hilfe dar, da viele Stickerersteller dort eine Seite haben, wo man mehr dazu erfahren kann. Auch wenn man selber einige Sticker haben möchte, um seine Besitztümer zu verzieren, ist Instagram die richtige Adresse.

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